Überblick über die Temperaturentwicklung
in Potsdam im Zeitraum von 1900 - 2009
1989 – nicht nur politisch ein Wendejahr
von Markus Seebass
Vorwort
Über kaum ein anderes Thema wurde
in den letzten Jahren so kontrovers
gestritten wie über den Klimawandel. Die einen prognostizieren für die kommenden
Jahrzehnte eine massive Erwärmung. Die anderen bestreiten, dass es überhaupt
einen Klimawandel gibt. Wieder andere negieren den anthropogenen
Einfluss auf die klimatischen
Veränderungen. Und von manch einem Diskussionsteilnehmer
wird schließlich
angemerkt, dass ein Wandel des Klimas nichts Neues, sondern etwas ganz Normales ist, was es in der Weltgeschichte
schon immer gegeben hat. Auffällig an der ganzen Debatte ist neben den kontroversen
Standpunkten jedoch die Tonlage der
Aufgeregtheit, oftmals auch die
Hysterie, mit der sie geführt wird. Beispielhaft
dafür sind jedes Mal die jährlich stattfindenden UN-Klimagipfel, bei denen
regelmäßig alle
Argumente vehement vorgebracht, aber
kaum Lösungsansätze verabschiedet werden. Und die nächste Warnung von „Experten“ in der
Presse, dass der Klimawandel noch schneller voranschreite als
bislang vermutet, wird nicht lange auf sich warten lassen.
Doch schreitet er überhaupt voran? Wird es global wirklich
immer wärmer? Auch hier gibt es ein ganzes Konzert an unterschiedlichen Meldungen
und Meinungen. Für die einen war 1998 das bisher wärmste Jahr, für die anderen
das Jahr 2005 – je nach Messmethodik. Manche sagten aufgrund des sog. „El-Nino-Phänomens“
gerade für die nächsten Jahre eine besonders große Erwärmung voraus, insbesondere
für Mitteleuropa. Die Faktenlage ist verwirrend und wird durch die permanent
nachgeschobenen Prophezeiungen nicht transparenter.
Alles Gründe, sämtliche
Aufgeregtheiten, Spekulationen und
Prognosen einmal beiseite zu lassen und sich den Fakten zuzuwenden. Denn der Klimawandel,
soweit es ihn hier in Mitteleuropa
und in Deutschland gibt (was nachfolgend
untersucht werden soll) hat viele
Facetten und muss sich keineswegs auf das bloße
Ansteigen von Durchschnittstemperaturen beschränken.
Die Säkularstation
Potsdam auf dem Telegrafenberg
verfügt seit 1893 über ein Datenmaterial,
das in Umfang und insbesondere in seiner Lückenlosigkeit
in Deutschland einmalig sein dürfte und daher über die Klimaentwicklung
in den letzten 100 Jahren in Mitteleuropa besonders gut Aufschluss
geben kann. Natürlich
gibt es noch andere Wetterstationen wie z. B. in Basel,
in Wien, Karlsruhe, Berlin-Dahlem,
auf der Zugspitze (Münchner Haus) oder dem Hohenpeißenberg, die ebenfalls auf
einen langen Beobachtungszeitraum
zurückblicken können. Nicht
unerwähnt bleiben sollte hier
auch die sog. „Berliner Klimareihe“, deren älteste
Temperaturaufzeichnungen sogar bis zum Jahre 1701 zurückreichen. Erst die Analyse der Daten aller Stationen kann hinsichtlich
der Klimaentwicklung von Gesamt-Mitteleuropa
ein abschließendes Bild liefern.
Der Verfasser dieses Berichtes hat sich jedoch auf die Datensammlung der Säkularstation
Potsdam-Telegrafenberg konzentriert,
da sie drei wesentliche Voraussetzungen
mitbringt.
Zum einen sind die Daten wirklich nahezu lückenlos, d. h. dass es trotz
Kriegsereignissen, politischen Umwälzungen, etc. keinerlei
Unterbrechungen gibt. Dies ist bei anderen Stationen wie z. B. Berlin-Dahlem
oder Karlsruhe nicht der Fall. Zum anderen wurde der Standort der Messanlagen seit 1893 nicht verändert.
Standortverschiebungen können aber, auch bei vergleichsweise
geringen Entfernungen, zu erheblichen
Veränderungen der ermittelten Werte
führen. Dies schränkt insbesondere die Aussagekraft der „Berliner Klimareihe“
ein, da hier die Messungen zwischen 1701 und dem 20. Jahrhundert an vielen verschiedenen Standorten vorgenommen und einheitliche
wissenschaftliche Standards
hinsichtlich der direkten Umgebung
der Messstationen nicht eingehalten
wurden. Der dritte wesentliche
Aspekt für eine Konzentration auf die Potsdamer Säkularstation
war die freie Verfügbarkeit der Daten. Während an die Messdaten anderer
Stationen z. T. gar nicht oder nur unter großen
Schwierigkeiten, heranzukommen ist (vielfach
auch nur unvollständig),
werden von der Säkularstation
Potsdam sowohl die aktuellen
Messungen als auch die Archivdaten
im Internet veröffentlicht. Eine Analyse dieser Daten erlaubt
somit zwar nur eine regionale Klimaanalyse,
doch kann diese dafür umfassend erfolgen.
Und immerhin ist eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Großraum Berlin-Brandenburg durchaus möglich
– einer Region, der von „Experten“ in den Medien oftmals
besonders schwierige klimatische
Zeiten wie z. B. eine Versteppung oder lange
Dürrezeiten vorhergesagt werden.
Wie die nachfolgende Analyse
noch zeigen wird, hat es in den letzten
20 Jahren eine Klimaerwärmung im
Großraum Berlin-Potsdam gegeben. Ziel dieses Berichtes ist jedoch keine hysterische
Angstbeschreibung von Entwicklungen,
sondern ein nüchtern dargestellter
Faktenbericht.
Alle in diesem Bericht zitierten Daten sind als Rohdaten öffentlich
frei zugänglich und werden im
Internet unter der Adresse www.pik-potsdam.de/services/klima-wetter-potsdam
veröffentlicht.
Der Autor hat sie lediglich ein
wenig geordnet, Durchschnittsberechnungen angestellt und Daten zusammengefasst, um die nachfolgend dargestellten Schlussfolgerungen ziehen zu können.
Teil 1 - Allgemeine
Temperaturentwicklung im Zeitraum
von 1900 – 2009
An der Wetterstation auf dem Telegrafenberg zu Potsdam wurden als Mittelwert der Temperatur im 20. Jahrhundert 8,71 Grad Celsius gemessen. Unterteilt
man jedoch nach einzelnen Monaten
oder den Gesamtzeitraum in die einzelnen
Dekaden, ergibt sich ein erheblich
differenzierteres Bild (siehe
Tabelle 1).
Tabelle 1 (Angaben in Grad Celsius)
Zeitraum
|
Jan
|
Feb
|
März
|
April
|
Mai
|
Juni
|
Juli
|
Aug
|
Sept
|
Okt
|
Nov
|
Dez
|
Mittel
|
1900 - 1999
|
-0,54
|
0,17
|
3,63
|
8,11
|
13,33
|
16,47
|
18,21
|
17,36
|
13,81
|
8,94
|
3,86
|
0,71
|
8,71
|
1900 - 1909
|
-0,47
|
0,03
|
2,98
|
7,03
|
12,78
|
16,24
|
17,53
|
16,19
|
13,06
|
8,96
|
3,16
|
0,16
|
8,18
|
1910 - 1919
|
-0,34
|
0,94
|
3,59
|
8,13
|
13,33
|
16,45
|
17,60
|
16,75
|
13,20
|
7,95
|
3,32
|
2,06
|
8,62
|
1920 - 1929
|
0,16
|
-0,14
|
4,34
|
7,75
|
13,45
|
14,82
|
18,60
|
16,76
|
13,69
|
8,79
|
3,19
|
0,10
|
8,51
|
1930 - 1939
|
0,42
|
0,72
|
3,55
|
7,96
|
13,56
|
17,38
|
18,61
|
17,84
|
14,11
|
8,65
|
4,64
|
-0,09
|
8,99
|
1940 - 1949
|
-2,84
|
-1,02
|
3,11
|
9,20
|
13,59
|
16,55
|
18,52
|
17,85
|
14,76
|
9,01
|
3,83
|
0,47
|
8,63
|
1950 - 1959
|
-0,60
|
-0,64
|
3,26
|
7,95
|
13,12
|
16,64
|
18,28
|
17,49
|
13,74
|
9,17
|
4,00
|
1,43
|
8,70
|
1960 - 1969
|
-1,45
|
-0,14
|
2,96
|
8,65
|
12,85
|
17,22
|
17,61
|
16,81
|
14,17
|
9,84
|
4,22
|
-0,96
|
8,51
|
1970 - 1979
|
-0,44
|
0,62
|
3,98
|
7,24
|
13,11
|
16,77
|
17,95
|
17,71
|
13,32
|
8,46
|
4,55
|
1,80
|
8,80
|
1980 - 1989
|
-0,87
|
-0,53
|
3,69
|
8,11
|
13,75
|
16,06
|
18,24
|
17,54
|
14,15
|
9,66
|
4,08
|
1,37
|
8,82
|
1990 - 1999
|
1,02
|
1,86
|
4,87
|
9,08
|
13,78
|
16,57
|
19,12
|
18,64
|
13,87
|
8,89
|
3,59
|
0,75
|
9,38
|
2000 - 2009
|
0,71
|
1,91
|
4,52
|
10,11
|
14,79
|
17,43
|
19,14
|
18,73
|
14,53
|
9,71
|
5,31
|
1,40
|
9,90
|
Tabelle 1 zeigt die
Durchschnittstemperaturen der einzelnen Dekaden von 1900 - 2009
Diagramm 1
Auch das Diagramm 1 macht
den signifikanten Temperaturanstieg seit den 1990er-Jahren deutlich.
So lag
der Mittelwert der Temperatur in den
Jahren 1900 – 1909 (der kältesten
Dekade) erheblich unter dem Mittelwert des Jahrhunderts, um dann im folgenden
Jahrzehnt zunächst stark anzusteigen. Die 1920er-Jahre brachten wieder eine
leichte Abkühlung. In den 1930er-Jahren wurde das Jahrhundertmittel mit einem Dekadenwert von 8,99 Grad Celsius erheblich
überschritten, so dass man diese Dekade seinerzeit (als man die Entwicklung bis 2009 ja noch nicht kannte) durchaus als „Mini-Warmzeit“ hätte bezeichnen können. Das Jahr
1934 stellte
mit einem Jahresmittel von 10,44
Grad Celsius zu jener Zeit ein
Wärmerekordjahr dar. Gleichzeitig
war es in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts das einzige Jahr mit einem Mittelwert
von über 10 Grad. Die 1940er-Jahre brachten erneut eine Abkühlung, was - wie noch eingehender untersucht wird -
vier sehr kalten Wintern geschuldet war. Mit 0,36 Grad fiel
die Abkühlung auf 8,63 Grad nicht
unerheblich aus.
In den 1950er-Jahren blieb die Temperatur einigermaßen konstant (8,70 Grad
Celsius), um sich anschließend in den 1960er-Jahren auf 8,51 Grad erneut abzukühlen.
Diese Abkühlung fiel mit 0,19 Grad eher moderat aus, doch war mit dem
Dekadenwert der Mittelwert der
1920er-Jahre wieder erreicht. Somit waren die 1960er-Jahre zusammen mit den
1920er-Jahren das zweitkälteste
Jahrzehnt im 20. Jahrhundert. Lediglich
die Jahre 1900 – 1909 lagen im Mittelwert noch darunter. Gleichzeitig
waren die 1960er-Jahre die letzte
Dekade, die gegenüber der vorangegangenen Dekade eine Abkühlung brachte.
Mit den 1970er-Jahren setzte
wieder einer moderate Erwärmung ein. Sie lag bei 0,29 Grad Celsius, der
Mittelwert bei 8,80 Grad. In den 1980er-Jahren blieb diese Temperatur fast
konstant (8,82 Grad) und bewegte sich noch immer unterhalb des hohen Niveaus
der 1930er-Jahre.
Mit den 1990er-Jahren setzte
jedoch eine massive Erwärmung ein. Da diese sich in den Jahren 2000 – 2009
fortsetzte, war von einem dauerhafteren Trend auszugehen, der die natürliche
Temperaturschwankung zwischen den einzelnen Dekaden erheblich übertraf.
Zwar lag die Temperatur in den
Jahren von 1910 – 1919 auch um beachtliche 0,44 Grad höher als in den Jahren
1900 – 1909. Doch nun lag die Steigerung bei 0,56 Grad und sie hatte bereits
oberhalb des Jahrhundertmittels eingesetzt. Die 1990er-Jahre waren mit einem
Mittelwert von 9,38 Grad Celsius die wärmste Dekade im 20. Jahrhundert und
lagen mit 0,67 Grad über dem Jahrhundertmittel der Temperatur. Selbst die
warmen 1930er-Jahre wurden jetzt mit 0,39 Grad übertroffen. Berücksichtigt man
noch die folgenden Jahre 2000 – 2009, die eine weitere Erwärmung brachten, kann
man die Schlussfolgerung treffen, dass der moderne Klimawandel mit den
1990er-Jahren eindeutig messbar geworden ist. Noch deutlicher wird dies, wenn
man die 1990er-Jahre aus dem Jahrhundertmittel herausrechnet (siehe Tabelle 2),
da sie diesen Wert ja mit ihrem hohen Wärmegrad bereits mit beeinflussen. Der
Mittelwert der Jahre 1900 – 1989 lag bei 8,64 Grad, sodass sich hier sogar eine
Differenz von 0,74 Grad ergibt.
Die Jahre 2000 – 2009 brachten
jedoch eine weitere drastische Erwärmung. Der Mittelwert dieser Dekade lag nun
bei 9,90 Grad Celsius, was einer weiteren Steigerung von 0,52 Grad entspricht.
Damit lag diese Dekade um 1,19 Grad über dem Mittelwert des 20. Jahrhunderts
und sogar 1,26 Grad über dem Mittelwert der Jahre 1900 – 1989. Das scheint
zunächst wenig beachtlich, doch befand sich selbst
in der letzten Eiszeit (die vor ca.
12000 Jahren endete) das globale Temperaturniveau „lediglich“ drei bis fünf Grad
(je nach Region) unter dem heutigen. Diese scheinbar nicht sehr hohe
Temperaturspanne führte aber bereits zu einer weiträumigen Vereisung und Vergletscherung der Nordhalbkugel – mit einschneidenden Folgen
für Flora und Fauna. Daher ist eine
durchschnittliche Temperatursteigerung von über einem Grad in zwanzig Jahren
durchaus beachtlich.
Bemerkenswert ist aber auch, dass
die dargestellten Temperaturbewegungen der einzelnen Jahrzehnte nicht alle
Monate gleichmäßig betrafen. Hier gab es Schwankungen, die dem allgemeinen
Trend teilweise nur zögerlich folgten oder sogar gegenläufig ausfielen.
Teil 2 – Temperaturentwicklung
der einzelnen Monate und Jahreszeiten im Zeitraum
von 1900 – 2009
In den ersten beiden Jahrzehnten
des 20. Jahrhunderts verliefen die
Wintermonate eher moderat bis mild,
während die Sommermonate fast durchweg zu kühl
ausfielen. Kühle
Sommer waren besonders kennzeichnend für die Jahre 1900 – 1909. Lediglich der Sommer 1911 zeigte einen warmen Verlauf, doch blieben
alle
Monate unter dem Durchschnittswert von 20 Grad Celsius.
Der Juni 1917 war der erste Monat im 20. Jahrhundert, der diese Marke
überschritt. Kühl blieben teilweise
auch die Monate der Übergangsjahreszeiten. So fielen
allein
in den Jahren von 1900 – 1909 zwei April-Monate
besonders kalt aus und sind zu den
zehn kältesten April-Monaten der Jahre 1900 – 2009 (Kälte-Top-Ten) zu zählen.
Erwähnt werden sollte aus dieser
Zeit auch der einzige wirklich sehr kalte Winter 1916/17, der als
„Steckrübenwinter“ in die Geschichte einging. Dieser Winter zeichnete sich weniger
durch niedrige Temperaturen, als durch seine lange Dauer aus und brachte mit
einem Mittelwert von -0,75 Grad den kältesten März-Monat seit Beginn der
Aufzeichnungen. Zusammenfassend lässt sich aber sagen, dass die Jahre von 1900 –
1919 als „maritimer Zeitabschnitt“
zu sehen sind, d. h. mit relativ
geringen Temperaturunterschieden zwischen Winter und Sommer, mit viel Niederschlag
und vergleichsweise wenig
Sonnenschein.
In den 1920er-Jahren sollte sich
das etwas ändern. Zwar gab es noch vergleichsweise
kühle Juni-Monate, doch keinen Juli-Monat mehr, der den „Kälte-Top-Ten“ zuzurechnen gewesen wäre. Die Februar-Monate kühlten etwas ab, doch ist dieses Phänomen besonders dem
„Extrem-Kälte-Februar“ des Jahres 1929 geschuldet,
der mit -10,86 Grad mehr als elf Grad unter dem durchschnittlichen
Mittelwert des 20. Jahrhunderts für
den Monat Februar lag. Eine solche Abweichung von einer monatlichen Durchschnittstemperatur hat es im gesamten
20. Jahrhundert kein zweites Mal
gegeben.
Die 1930er-Jahre brachten eine allgemeine
Erwärmung, die mit 2,56 Grad in den Juni-Monaten und 1,45 Grad in den
November-Monaten besonders drastisch ausfiel.
Leichte Abkühlungen gab es lediglich
in den März-, den Oktober- und den Dezember-Monaten. Auffällig war
auch, dass nach dem Januar in den Jahren 1900 – 1919 und dem Februar in den
Jahren 1920 – 1929 nunmehr der Dezember
mit einem Mittelwert von
-0,09 Grad der durchschnittlich kälteste Wintermonat war – ein Umstand, der sich erst
in den 1990er-Jahren wiederholen sollte.
Mit den 1940er-Jahren wurde ein
markanter Übergang zu einer eher „kontinentalen
Zeitspanne“ eingeleitet. Vier sehr
strenge Winter standen nun für die damalige
Zeit vergleichsweise warmen Sommern
gegenüber. In den vier vorangegangenen Dekaden war die durchschnittliche Differenz zwischen den meteorologischen Wintern (Dezember, Januar und Februar) und
den Sommern (Juni, Juli, August)
stets unter 17,5 Grad geblieben,
doch in den 1940er-Jahren stieg er stark an, und zwar auf 18,94 Grad. Die drei Kriegswinter 1939/40, 1940/41 und
1941/42 sowie der Winter 1946/47, der in der Nachkriegszeit als „Hungerwinter“ in die Geschichtsbücher
eingegangen ist, sind allesamt zu der Liste der zehn kältesten Winter seit dem Jahr 1900 zu zählen. Dagegen waren jetzt immerhin zwei Juni-Monate
zu den „Wärme-Top-Ten“ zu zählen
und kein Juli-Monat mehr zu den Kälte-Top-Ten. Auch gab es mit dem August 1944 (21,14
Grad Celsius) einen ausgesprochenen
Wärmemonat. Allerdings
gab es auch zwei August-Monate (1940 und 1941), die den „Kälte-Top-Ten-Monaten“
zuzurechnen sind.
Als
besonders markante Jahre der Dekade 1940 – 1949 sind jedoch die Jahre 1940 und
1947 herauszuheben. Das Jahr 1940 war mit einem Jahresmittelwert von 6,64 Grad Celsius
das kälteste seit Beginn der
Wetteraufzeichnungen auf dem Telegrafenberg.
Ein harter Winter sowie ein kalter
August führten zu diesem Wert, obgleich
dem ein vergleichsweise warmer Juni
gegenüberstand. Bemerkenswert war insbesondere der Januar-Monat mit dem
niedrigsten Mittelwert für diesen Monat seit Beginn der Aufzeichnungen (-9,94
Grad) Das Jahr 1947 zeichnete sich durch
seinen besonderen Ablauf aus. Einem langen harten Winter folgte
ein sehr warmer Frühling, anschließend
ein moderat warmer Sommer, dem ein geradezu heißer Frühherbst folgte. Der September 1947 ist mit 17,96 Grad bis
heute der wärmste September seit Beginn der Aufzeichnungen und auch die Monate
Mai und Juni sind zu den „Wärme-Top-Ten“ seit dem
Jahr 1900 zu zählen. Zwar bilden die eigentlichen
meteorologischen Sommermonate Juni,
Juli und August keinen Wärmerekord,
aber zusammen doch immerhin den siebtwärmsten Sommer seit Beginn der
Aufzeichnungen. Zusammen mit den beiden meteorologischen
Frühlings- bzw. Herbstmonaten Mai
und September kam das Jahr 1947 aber auf 71 Sommertage (Tage mit einem Maximum
von 25 Grad oder mehr) und 26 „Heiße Tage“ (Tage mit einem Maximum von 30 Grad
oder mehr). Beide Werte sind bis heute trotz der bereits erwähnten Klimaerwärmung unübertroffen und wurden selbst im Rekordsommer 2003 nicht erreicht.
Die 1950er-Jahre entsprachen in
etwa dem Jahrhundertmittel der
Temperatur und waren auch hinsichtlich
der durchschnittlichen Monatswerte
eher unauffällig
– obgleich es vergleichsweise viel
„Kälte-Top-Ten-Monate“
gab, denen relativ wenige
„Wärme-Top-Ten-Monate“ gegenüberstanden. Herausragend
war der Februar 1956 mit einem Mittel
von -9,26 Grad Celsius, der mit
diesem Wert als zweitkältester Februar seit Beginn der Aufzeichnungen zu verbuchen
ist. Dieser extrem kalte Monat ist –
ähnlich wie in den 1920er-Jahren als Ursache dafür zu sehen, dass in den 1950er-Jahren
die Februar-Monate statistisch gesehen wieder die kältesten
Wintermonate waren. Es gab allerdings
auch ausgesprochene Warmmonate wie z. B. den Juli
1959 mit einem Mittelwert von 20,40
Grad Celsius.
Mit den 1960er-Jahren kam es
erneut zu einer Abkühlung - der letzten, vergleicht
man eine Dekade des 20. Jahrhunderts mit der jeweils
vorangegangenen. Die Abkühlung blieb mit 0,19 Grad Celsius
moderat, doch haftet den 1960er-Jahren bis heute ein „kaltes
Image“ an. Die Ursache dafür mag eher in einigen spektakulären
Ereignissen als in der objektiv
gemessenen Datenlage zu suchen sein.
Eines dieser Ereignisse, das bis heute in der kollektiven Erinnerung breiter
Bevölkerungsschichten haftet, dürfte das letztmalige Zufrieren des Bodensees sowie der westlichen Flüsse
Main, Neckar, Mosel, Ober- und Mittelrhein im Winter 1962/63 sein, das sich in dieser
Form seither nicht mehr wiederholt
hat. Auch die spektakulär kühlen
Sommer 1962 und 1965 und der schneereiche Winter 1968/69 (besonders in
Westdeutschland) mögen zum Ruf der „eisigen 60er“ beigetragen haben. All diese
Ereignisse waren auch aufgrund der real
gemessenen Werte in Potsdam zweifellos herausragend, es wurden in den 1960er-Jahren auch
viele Extremwerte, jedoch vergleichsweise wenig Rekordwerte bei den monatlichen
Mittelwerten gemessen. Selbst der
Winter 1962/63 liegt im „Kälte-Ranking“ aller Winter seit Beginn der Aufzeichnungen erst auf
dem zweiten Platz (hinter dem Winter
1939/40) und nur ganz knapp vor dem „Hungerwinter“ 1946/47.
Ein Kälterekord
bei den monatlichen Mitteltemperaturen wurde lediglich im Dezember 1969 mit
einem Monatsmittel von -6,23 Grad Celsius aufgestellt. Absolute Minimalwerte der
Temperatur wurden im November 1965 und im Dezember 1969 gemessen.
Doch gab es auch in den
1960er-Jahren ausgesprochene Warmmonate. Dazu wären beispielsweise der Zeitraum
von Februar bis April 1961 oder auch
die Oktober-Monate der Jahre 1961, 1966 und 1967 zu zählen,
die allesamt
den „Wärme-Top-Ten“ des Zeitraums von 1900 – 2009
zuzurechnen sind. In die 1960er-Jahre fielen auch mehrere absolute Wärmerekorde
wie z.B. die höchste je gemessene März- und Apriltemperatur (beide gemessen im
Jahre 1968).
All diese Fakten zeigen, dass es
in den 1960er-Jahren auch durchaus „warme Ereignisse“ gab. Doch mögen eben bis
heute der Extremwinter 1962/63 sowie ein gehäuftes Auftreten schneereicher
Winter maßgebend dafür sein, dass diese Dekade den Menschen als „Kaltphase“
in Erinnerung geblieben ist. Zusätzlich zu den Fakten kann dazu aber auch die
seinerzeit entbrannte öffentliche
Diskussion über eine mögliche neue kleine Eiszeit beigetragen haben. Diese Diskussion
wurde allerdings
nicht nur durch die Witterung in Mitteleuropa,
sondern auch durch den damaligen
markanten Vorstoß der vereisten Nordpolarkappe
(im Winter fast bis nach Island)
ausgelöst. Mit dem allmählichen Rückgang des Polareises ab der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre ebbte die Diskussion schließlich
ab.
Mit den 1970er-Jahren trat dann
wieder eine Milderung ein – immerhin
um 0,29 Grad. Charakteristisch für diese Zeit waren vergleichsweise
milde Winter. Von den Wintern
1969/70 und 1978/79 einmal abgesehen
waren alle
Winter der 1970er-Jahre überdurchschnittlich temperiert. Allerdings
gab es markante Abkühlungen innerhalb der Übergangsjahreszeiten wie z. B. den Aprilmonaten mit 1,41 Grad oder den Oktober-Monaten mit
1,38 Grad Celsius. Die Juli-Monate blieben
insgesamt eher zu kühl, obgleich es zu den 1960er-Jahren eine geringe
Steigerung gab (um 0,34 Grad). Die durchschnittliche
Differenz zwischen den Sommer- und den Wintermonaten sank allerdings
auf einen Wert von 17,15 Grad und somit auf den geringsten Wert seit den
1920er-Jahren (16,81 Grad). Somit lässt
sich sagen, dass mit den 1970er-Jahren gemessen an den vorangegangenen Dekaden
wieder eine „Maritimisierung“ stattgefunden hat.
Obgleich
die 1970er-Jahre hinsichtlich der
Temperatur statistisch gesehen eher „unauffällig“ waren, gibt es drei Ereignisse, die in der
Erinnerung der Menschen bis heute verankert sind.
Das wären
zum einen der „große Schneewinter“ 1969/70, der im März 1970 Schneehöhen von
über einem halben Meter brachte.
Ferner der „Waldbrandsommer“ des
Jahres 1975, der in Teilen
Niedersachsens zu erheblichen
Schäden durch Waldbrand geführt hat.
Und zuletzt
der große Kälteeinbruch mit der
Jahreswende 1978/79, der in weiten Teilen
Norddeutschlands zu meterhohen
Schneeverwehungen und in der damaligen
DDR sogar zu Engpässen in der Energieversorgung geführt hatte. Tatsächlich ist der Januar 1970 mit einem Monatsmittel von -4,73 Grad Celsius
zu der Liste der „Kälte-Top-Ten-Monate“ (1900 – 2009) zu rechnen. Die folgenden Monate jedoch nicht mehr, was deutlich zeigt, dass schneereiche Zeiten nicht unbedingt
sehr kalte Zeiten sein müssen. Der
Sommer 1975 war sehr warm, die Monate August und September sind beide zu den
Wärme-Top-Ten-Monaten (1900 – 2009) zu zählen. Gleichwohl belegt
der Sommer 1975 im Zeitraum von 1900 – 2009 im „Sommer-Ranking“ erst den 14. Platz.
Auch die Niederschlagsmengen waren in keinem der Monate (zumindest in
Potsdam) besonders niedrig, der Sommer 1975 also
kein ausgewiesener „Dürresommer“. Gleichwohl war das Gesamtjahr 1975 insgesamt
sehr trocken. So zeigt sich, dass Wetterereignisse in der Bevölkerung teilweise
auch durch ihre Medienpräsenz in Erinnerung bleiben
und keinesfalls
nur durch das tatsächlich erlebte Wettergeschehen in der unmittelbaren Umgebung.
Der Jahreswechsel 1978/79 dürfte wohl
noch am besten in Erinnerung sein. So sank damals
vom 29.12.78
bis zum Folgetag die Temperatur in
wenigen Stunden von +8,0 Grad auf -15,0 Grad Celsius.
Ein solcher Temperatursturz, der an
einen amerikanischen Blizzard
erinnerte, ist in Mitteleuropa
äußerst selten. Was folgte, war ein langer
schneereicher Winter, der erneut Schneehöhen bis etwa einen halben Meter brachte. Extreme Kältemonate
wurden allerdings
nicht verzeichnet. Der Winter 1978/79 belegt
im Ranking seit dem Jahre 1900 lediglich den elften Platz).
Die 1980er-Jahre waren an der
Säkularstation Potsdam fast
identisch temperiert wie die 1970er-Jahre. Es fand lediglich eine Erwärmung um 0,02 Grad statt, sodass diesbezüglich
im 20. Jahrhundert eine einmalige Kontinuität gegeben war. Doch hinsichtlich des durchschnittlichen
Temperaturverlaufs innerhalb der Jahre begannen sich die 1980er-Jahre in
Ansätzen eher wieder den 1960er-Jahren anzugleichen.
Die Wintermonate wurden kälter,
dafür erwärmten sich teilweise die
Monate der Übergangsjahreszeiten. Die Monate November bis Februar kühlten ab, der Monat Februar sogar um über ein Grad.
Auch die Juni-Monate kühlten um 0,71
Grad Celsius ab, was durch die
Erwärmung der Juli-Monate (0,29
Grad) nur teilweise kompensiert
wurde. Die stärksten Erwärmungen gab es in den April-Monaten
(0,87 Grad), den Mai-Monaten (0,64 Grad) und den Oktober-Monaten (1,2 Grad).
Wie schon zuvor die 1970er-Jahre blieben
die 1980er-Jahre statistisch eher unauffällig. Auch blieben
spektakuläre Wetterereignisse mit
nachträglichem Erinnerungswert
weitgehend aus.
Erwähnt werden sollte vielleicht
der Sommer 1983, der mit gemessenen 19,31 Grad in den Sommermonaten Juni, Juli
und August bis dahin der wärmste des 20. Jahrhunderts war. Inzwischen wurde er allerdings gleich
mehrfach übertroffen (1992, 2003 und 2006). Und im Jahre 1989 wurde erstmalig seit 1934 wieder eine Jahresmitteltemperatur von über zehn Grad Celsius registriert.
Mit den 1990er-Jahren setzte eine
spürbare Erwärmung ein, die über die bisherigen Schwankungen der einzelnen Dekaden des 20.
Jahrhunderts deutlich hinausging. Die
Erwärmung betrug 0,56 Grad. Vergleicht
man die Temperaturmittelwerte der
einzelnen Jahre, stellt man
fest, dass die Erwärmungsphase bereits 1989 mit einem Wert von 10,26 Grad Celsius einsetzte. Seit dieser Zeit ist eine
signifikante Häufung von Warmjahren zu beobachten. Neun der zehn wärmsten Jahre
seit dem Jahre 1900 fanden nach 1988 statt. Im Zeitraum von 1989 – 2009 lag
das Jahresmittel in sieben Jahren
bei zehn Grad Celsius oder darüber
(siehe Tabelle 3). In den 89 Jahren zuvor war dies nur einmal geschehen (1934). Im Jahre 2000 wurde mit 10,47
Grad Celsius das höchste Jahresmittel gemessen, dicht gefolgt
vom Jahr 2007 mit 10,46 Grad. Auch wurde innerhalb
des Zeitraums von 1989 – 2009 der Jahresmittelwert
des 20. Jahrhunderts nur noch einmal
unterschritten (1996 mit 7,48 Grad Celsius).
Tabelle 2 (Angaben in Grad Celsius)
Zeitraum
|
Jan
|
Feb
|
März
|
April
|
Mai
|
Juni
|
Juli
|
Aug
|
Sept
|
Okt
|
Nov
|
Dez
|
Mittel
|
1900 - 1989
|
-0,72
|
-0,02
|
3,50
|
8,00
|
13,28
|
16,46
|
18,10
|
17,22
|
13,80
|
8,94
|
3,89
|
0,70
|
8,64
|
1990 - 1999
|
1,02
|
1,86
|
4,87
|
9,08
|
13,78
|
16,57
|
19,12
|
18,64
|
13,87
|
8,89
|
3,59
|
0,75
|
9,38
|
2000-2009
|
0,71
|
1,91
|
4,52
|
10,11
|
14,79
|
17,43
|
19,14
|
18,73
|
14,53
|
9,71
|
5,31
|
1,40
|
9,90
|
Erwärmung der Jahre 1990
- 1999 gegenüber 1900-89
|
1,73
|
1,88
|
1,37
|
1,08
|
0,50
|
0,11
|
1,01
|
1,43
|
0,07
|
-0,06
|
-0,30
|
0,05
|
0,74
|
Erwärmung der Jahre 2000
- 2009 gegenüber 1900-89
|
1,42
|
1,93
|
1,02
|
2,11
|
1,51
|
0,97
|
1,03
|
1,51
|
0,73
|
0,76
|
1,42
|
0,69
|
1,26
|
Die Erwärmung ab den 1990er-Jahren wird noch deutlicher, wenn man die
Temperaturen der beiden letzten Dekaden mit den Durchschnittswerten von
1900-1989 statt mit den Mittelwerten des 20. Jahrhunderts vergleicht. Auffällig
ist, dass sich die einzelnen Monate höchst unterschiedlich erwärmt haben und
die 1990er-Jahre entgegen dem allgemeinen Erwärmungstrend in den Monaten
Oktober und November noch eine leichte Abkühlung brachten.
Aufgrund dieser Fakten kann man (zumindest
in Potsdam) das Jahr 1989 als das
Anfangsjahr des modernen Klimawandels bezeichnen. Die Dekadentemperatur der
1980er-Jahre wurde dadurch nicht mehr auffällig verändert, doch in den 1990er-Jahren war die
dauerhafte Erwärmung bereits eindeutig messbar. Allerdings war die Erwärmung noch keine vollständige.
In den Herbstmonaten Oktober und November kam es zu einer erstaunlichen Abkühlung
von 0,77 bzw. 0,49 Grad Celsius.
Damit fiel der Mittelwert dieser beiden Monate in der Dekade sogar unter
den Durchschnittswert des gesamten 20. Jahrhunderts. Allerdings war die Abkühlung
nicht so ausgeprägt, dass es die allgemeine Erwärmung auch nur annährend kompensieren
konnte.
Eine Ausnahmeerscheinung blieb das Jahr 1996, das nicht nur unterdurchschnittlich temperiert ausfiel,
sondern sogar ausgesprochen kalt.
Mit 7,48 Grad Celsius war es das
sechstkälteste Jahr seit dem Jahre
1900.
Allerdings waren die 1990er-Jahre in den Sommermonaten
gekennzeichnet von hohen Wärme-Extremwerten.
So wurde u. a. im August 1992 auch
die höchste, überhaupt je gemessene Temperatur registriert.
Als außergewöhnliches
Einzelereignis in den 1990er-Jahren ist noch der Sommer 1997 zu werten, der
vergleichsweise niederschlagsreich begann, der aber mit einem sehr warmen und
trockenen August (Mittelwert 21,21 Grad) endete. In Erinnerung bleiben wird
dieser Monat breiten Bevölkerungsschichten allerdings weniger durch diese
Tatsache als durch die Flutkatastrophe an der Oder, die aus einer
niederschlagsreichen Omega-Wetterlage im östlichen Mitteleuropa im Monat Juli
resultierte. Eine ähnliche Wetterlage (wenn auch etwas weiter nach Westen
verschoben) hatte fünf Jahre später im Sommer 2002 zu der großen Elbeflut
geführt.
Die erste Dekade des neuen
Jahrtausends brachte eine weitere Erwärmung um 0,52 Grad. Das Dekadenmittel betrug somit 9,90 Grad und lag
mit 1,19 Grad über dem Mittelwert
des 20. Jahrhunderts. Kennzeichnend für dieses Jahrzehnt war, dass alle Jahre
zu warm ausfielen (z. T. ganz erheblich) und dass auch alle Dekadenwerte der einzelnen Monate über den Mittelwerten
des 20. Jahrhunderts lagen. Auffällig ist
jedoch, dass die Erwärmung die einzelnen
Monate recht unterschiedlich erfasst
hat. Während sich z. B. die Dezember-Monate gegenüber dem 20. Jahrhundert um
vergleichsweise moderate 0,69 Grad
erwärmt haben, sind es bei den April-Monaten
2,0 Grad. Auch die Februar-Monate waren mit einer Erwärmung von 1,74 Grad
überproportional betroffen, während
sich die Oktober-Monate um lediglich 0,77 Grad erwärmt haben. Gegenüber den
1990er-Jahren kam es aber trotz der allgemeinen Erwärmung in einzelnen
Monaten auch zu einer leichten Abkühlung. Im Januar um 0,31, im März um 0,35 Grad. Im
Februar, Juli und August blieb die Temperatur in etwa konstant, während sie
sich im April und Mai gegenüber den
1990er-Jahren um nochmals gut einen
Grad erhöhte. Die stärkste Erwärmung in den Jahren 2000 bis 2009 gegenüber der
Vordekade gab es aber im November mit 1,72 Grad, eine Differenz, die freilich auch der Abkühlung
der November-Monate in den 1990er-Jahren geschuldet
war.
Erwähnung finden sollten noch die
beiden ungewöhnlich heißen Sommer 2003 und 2006. Erstgenannter war mit 20,16
Grad Celsius der heißeste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen (Mittelwert der
Monate Juni, Juli und August, die per Definition den meteorologischen Sommer
darstellen). Der Sommer 2006 liegt im Jahrhundert-Ranking zwar „nur“ auf dem
dritten Platz, doch war der Juli mit einem Mittelwert von 23,69 Grad der
wärmste Einzelmonat seit Beginn der Aufzeichnungen überhaupt. Bemerkenswert ist auch, dass der September
2006 den Auftakt von einer ganzen Reihe von extrem warmen Monaten bildete - zumeist
sind diese Folgemonate in der Liste der Wärme-Top-Ten
enthalten - die noch bis in den Juni des
Folgejahres andauerte und die Jahre 2006 und 2007 zu besonders warmen Jahren
werden ließen.
Tabelle 3
|
Die zehn wärmsten Jahre
|
|
Die zehn kältesten Jahre
|
Jahr:
|
Durchschnittstemperatur
(C):
|
Jahr:
|
Durchschnittstemperatur
(C):
|
1934
|
10,44
|
1902
|
7,06
|
1989
|
10,26
|
1909
|
7,62
|
1990
|
10,17
|
1922
|
7,37
|
1992
|
9,89
|
1940
|
6,64
|
1994
|
9,95
|
1941
|
7,19
|
1999
|
10,26
|
1942
|
7,54
|
2000
|
10,47
|
1956
|
7,23
|
2006
|
10,22
|
1962
|
7,64
|
2007
|
10,46
|
1987
|
7,62
|
2008
|
10,24
|
1996
|
7,48
|
Die zehn wärmsten
Jahre der Zeit von 1900 – 2009 (links) und die zehn kältesten (rechts).
Auffällig ist die Häufung der Warmjahre seit 1989.
Teil 3 – Ausblick und Schlussbetrachtung
Wir haben den Zeitraum von 1900 –
2009 anhand der gemessenen monatlichen,
jährlichen Durchschnittswerte sowie
der Mittelwerte der elf Dekaden Revue passieren lassen.
Dabei war festzustellen, dass es eine gewisse Schwankung des Klimas ständig gibt. Diese kann durchaus bis zu 0,8
Grad betragen, wie der Vergleich der
Jahre von 1900 – 1909 mit den 1930er-Jahren ergibt. Bis zu den 1960er-Jahren
hat es jedoch immer wieder Abkühlungen
gegeben, die kurzzeitige Erwärmungsphasen kompensiert haben. Nur gemessen am
ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, welches das kälteste
im 20. Jahrhundert war, ist bis zu den 1980er-Jahren eine generelle leichte Erwärmung auszumachen. Unsere Analyse hat auch gezeigt, dass zwei annährend gleich temperierte Zeiträume sich innerhalb der einzelnen
Monate markant unterscheiden können, wie ein Vergleich
der 1970er-Jahre mit den 1980er-Jahren gezeigt hat.
Es hat sich allerdings
auch gezeigt, dass ab den 1990er-Jahren eine, in den Dekadenwerten
messbare markante Erwärmung stattgefunden hat, die sich im ersten Jahrzehnt des
21. Jahrhunderts fast ungebremst fortgesetzt hat. Eine Untersuchung der Einzeljahre lässt
das Jahr 1989 als den eigentlichen Beginn des modernen Klimawandels erscheinen, da sich mit diesem Jahr die
Wärmeereignisse wie überdurchschnittlich
warme Gesamtjahre oder Einzelmonate deutlich
gehäuft haben. Gleichzeitig traten
markante Kälteereignisse wie
unterdurchschnittlich temperierte
Einzelmonate oder Einzeljahre nur noch selten
auf. Es hat sich aber auch gezeigt, dass
sich die Erwärmung nicht linear vollzieht,
sondern dass sie sich auf einzelne
Jahreszeiten oder sogar Einzelmonate
in unterschiedlicher Intensität
auswirkt. Dies beweist, dass es unmöglich
ist, Temperaturen für die Zukunft, einfach anhand der bereits aufgetretenen
Erwärmungen zu extrapolieren. Klimaänderungen sind niemals
homogene Prozesse, sondern basieren auf Veränderungen von atmosphärischen Zirkulations- bzw. Strömungsmustern. Wer z. B. ein baldiges Ende der mitteleuropäischen
Winter vorhersagt (wie von Klimaforschern
in der Presse schon oftmals
geschehen), muss zur Kenntnis nehmen, dass sich die Januarmonate in der ersten
Dekade des 21. Jahrhunderts gegenüber den 1990er-Jahren wieder abgekühlt haben. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass die
Wintermonate wieder erheblich
schneereicher geworden sind. Auch hat das Jahr 2010, das in diese Analyse noch
nicht eingeflossen ist, gezeigt, dass kalte und sehr schneeintensive Winter
noch keineswegs der Vergangenheit angehören. Ebenso muss man zur Kenntnis
nehmen, dass in den vergleichweise
kühlen ersten beiden Jahrzehnten des
20. Jahrhunderts die Wintermonate ebenfalls milder
waren. Wer für die Region Berlin-Brandenburg
für die Zukunft erhebliche
Dürrezeiten vorhersagt, muss sich fragen lassen,
aufgrund welcher Fakten eine solche Mutmaßung angestellt wird. Die Entwicklung
der bisherigen Niederschlagswerte
lässt hier keinerlei Tendenzen in
diese Richtung erkennen.
Es ist unzweifelhaft, dass es in Mitteleuropa
in den letzten 20 Jahren wärmer
geworden ist. Die Erwärmung ist sogar erheblich
stärker ausgefallen als im globalen
Maßstab, wo sie allgemein auf ca. 0,7 bis 0,8 Grad seit Beginn der
Industrialisierung beziffert wird.
Diese überproportionale Erwärmung
ist primär aber eine Folge
veränderter atmosphärischer Zirkulationsmuster.
Gehäufte Hochdruckwetterlagen im
Sommer und häufiger auftretende Westwindwetterlagen
im Winter - direkt verursacht durch eine verstärkt auftretende Nordatlantische Oszillation (NAO) - sind dafür ein Beispiel.
Ob möglicherweise die Häufung dieser
Großwetterlagen mit der Erderwärmung
zusammenhängt, ist zwar möglich,
aber keineswegs bewiesen. Gerade die Nordatlantische
Oszillation
ist ein Phänomen, das seine Existenz einer Abkühlung verdankt (über Nordostkanada,
wo sich in den letzten Jahren
verstärkt kalte Hochdruckgebiete
etabliert haben). Auch können
Veränderungen der ozeanischen Strömungsmuster erhebliche
Veränderungen beim Klima in Europa
hervorrufen. Der Einfluss der
Sonnenaktivität - die in den letzten
Monaten erstaunlich gering war - auf
das Weltklima
ist ebenfalls
noch nicht abschließend geklärt. Nicht zuletzt spielt der Vulkanismus auf der Erde eine nicht zu unterschätzende
Rolle
für das Klima.
Der Verfasser dieser Analyse negiert den Klimawandel keineswegs. Auch dass bei der Erwärmung seit dem
Jahr 1989 der anthropogene Faktor eine Rolle gespielt
haben mag, wird nicht bestritten. Aufgrund des exorbitant hohen CO2-Austoßes, der bis heute in weiten Teilen der Welt
stattfindet, ist diese Annahme ja auch keineswegs fernliegend.
Allerdings wäre etwas mehr Bescheidenheit bei den
„Verfechtern des Klimawandels“ sehr wohl
angebracht. Deren Prognosen, die teilweise
von einer Erhöhung der Welttemperatur
bis zu acht Grad in diesem Jahrhundert ausgehen, werden manchmal allzu selbstsicher
vorgetragen. Prognosen und Fakten werden häufig in einem Atemzug genannt und
dem fachlich ungeschulten Publikum
fällt
eine sachgerechte Differenzierung schwer.
Wie das Weltklima sich in der Zukunft entwickeln wird, weiß niemand. Dazu hat es sich auch zu oft
verändert – auch ohne menschliches
Zutun. Das sog. „mittelalterliche
Wärmeoptimum“, das von ca. 1000 – 1300 andauerte, sei nur als Beispiel
genannt. Auch die letzte „kleine Eiszeit“ von ca. 1300 – 1740 wurde nicht durch
menschliche Einflüsse ausgelöst.
Daher führt auch das Wort „Klimawandel“ als
Synonym für die Erwärmung der letzten
20 Jahre in die Irre, denn das Klima
wandelt sich immer. Ein statisches
und dauerhaft gleichbleibendes Klima
über große Zeiträume hinweg gab und gibt es in Europa nicht.
Zu viele
Faktoren spielen bei der weiteren
Entwicklung eine Rolle. Wie
sich das Regionalklima in Mitteleuropa
entwickelt, ist somit noch unsicherer,
da eine allgemeine
Erderwärmung auch neue Konstellationen bei den atmosphärischen Zirkulations- und Strömungsmustern hervorrufen könnte,
die sich in Mitteleuropa wiederum abkühlend
auswirken könnten. Daher muss es mit den Wintern in Deutschland noch lange
nicht zu Ende sein und große Dürrezeiten in der Region Berlin-Brandenburg sind auch noch nicht
ausgemacht.
Markus Seebass
im Januar 2011
Achtung:
Die Statistiken 1a, 1b und 1c beinhalten das für diesen Artikel
relevante Datenmaterial.
http://www.das-klima-in-potsdam.de/Statistik%2001a%20-%20Potsdam-Telegrafenberg%20Temperatur%20Monats-%20%20und%20Jahresmittel%20%201893%20-%20heute.pdf
http://www.das-klima-in-potsdam.de/Statistik%2001b%20-%20Potsdam-Telegrafenberg%20Temperatur%20Monats-%20%20und%20Jahresmittel%20und%20Top-Ten-Angaben%201900%20-%202009.pdf
http://www.das-klima-in-potsdam.de/Statistik%2001c%20-%20Potsdam-Telegrafenberg%20Temperatur%20Monats-%20%20und%20Jahresmittel%20mit%20Angaben%20zur%20Abweichungsh%C3%B6he%20%201893%20-%20heu.pdf