Der Winter 2015/16

Der dritte Mildwinter in Folge

 

von Markus Seebass

 

 

Die Reihe der übertemperierten Winter hat sich auch mit dem vergangenen Winter 2015/16 fortgesetzt.

 

Temperatur

Im Ranking aller Winter seit dem Aufzeichnungsbeginn am Potsdamer Telegrafenberg im Jahre 1893 wurde mit einem Mittelwert von 3,31 Grad der sechstwärmste Winter verzeichnet. Vergleicht man ihn mit dem Mittelwert des 20. Jahrhunderts für alle Wintermonate (0,11 Grad), beträgt die Positivabweichung 3,2 Grad. Legt man den Referenzwert der Jahre 1961-1990 zugrunde (0,03 Grad), liegt der Wärmeüberschuss sogar bei 3,28 Grad.

Die zehn wärmsten Winter seit 1893 in Potsdam entfielen auf folgende Jahre:

 

 

Winter

Temp. ©

1898/99

2,91

1924/25

2,92

1974/75

3,72

1988/89

3,32

1989/90

3,94

1997/98

3,17

2006/07

4,62

2007/08

3,43

2013/14

3,12

2015/16

3,31

 

Bei dieser Auflistung fällt auf, dass sieben der zehn wärmsten Winter innerhalb der letzten 30 Jahre stattgefunden haben. Dies entspricht dem Bild einer beschleunigten Klimaerwärmung in Mitteleuropa seit dem Ende der 1980er-Jahre (vgl. Artikel 1). Allerdings lag der vergangene Winter noch 1,31 Grad unter dem Rekordwinter 2006/07. Gleichfalls fällt auf, dass sechs dieser Winter paarweise direkt hintereinander oder bestenfalls mit einem kälteren Winter Unterbrechung, aufgetreten sind. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Voraussetzungen für Mildwinter periodisch auftreten bzw. deren Entstehung atmosphärischen Zirkulationszyklen unterliegt.

Mit dem Winter 2015/16 wurde nunmehr bereits der fünfte übertemperierte Winter in Folge verzeichnet. Die beiden vorangegangenen Winter waren bereits als „mild“ bzw. „sehr mild“ zu bezeichnen (vgl. Statistik 18). Der Winter 2012/13 war hingegen nur sehr geringfügig „zu warm“, der Winter 2011/12 war mit einer Abweichung von 1,31 Grad (gegenüber dem Mittelwert des 20. Jahrhunderts) vergleichsweise moderat übertemperiert. Untertemperiert war der Winter zuletzt 2010/11 und „kalt“ 2009/10. Dieser Zeitraum erscheint lang, doch ist zu bedenken, dass sich die längste Phase übertemperierter Winter in den 1970er-Jahren mit  acht Winter-Zeiträumen hintereinander ereignete. Immerhin treten untertemperierte Winter überhaupt noch auf. Schaut man auf die Sommer-Jahreszeiten, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Hier ist festzustellen, dass der letzte untertemperierte Sommer im Jahre 1998 und der letzte wirklich „kühle Sommer“  1993 stattgefunden hat.

Die Wärme des Winters war zeitlich allerdings sehr ungleich verteilt und konzentrierte sich schwerpunktmäßig auf die Monate Dezember 2015 und Februar 2016.

 

Dez

Jan

Feb

Ds.  1900 - 1999

0,71

-0,54

0,17

0,11

Winter 2015/2016

6,70

-0,32

3,58

3,31

Abweichung

5,99

0,22

3,41

2,20

                              Farben:  Rosa = überdurchschnittlich temperiert. Blau = unterdurchschnittlich temperiert

                                                                            Angaben in Grad Celsius

 

Mit 6,70 Grad wurde im Dezember 2015 ein Wärmerekord erzielt, die Positivabweichung der Temperatur war mit 5,99 Grad entsprechend hoch. Der Januar 2016 war mit einem Mittelwert von -0,32 Grad fast normal ausgefallen, während der Februar wieder einen enormen Wärmeüberschuss von 3,41 Grad aufwies.

Ein ähnliches Bild ergibt sich auch aus der Kältesumme. Mit 73,69 Grad im Januar wurde der durchschnittliche Januarwert (20. Jahrhundert) von 69,6 Grad sogar geringfügig überschritten. Da der extrem milde Dezember und der Februar jedoch kaum etwas zu der Bilanz beigetragen haben, blieb die Gesamt-Kältesumme des Winters mit 74,75 Grad deutlich unter den 164,8 Grad, die statistisch gesehen in allen drei Wintermonaten zu erwarten gewesen wären.

Dem insgesamt milden Temperaturverlauf  lag eine Großwetterlage zugrunde, die sich als äußerst zählebig erwiesen und ein bemerkenswertes Regenerationsvermögen gezeigt hat. Ein Kältehoch hatte sich über Nordostkanada bzw. Grönland festgesetzt und immer wieder Kaltluftmassen auf den Atlantik verfrachtet. Dies hatte im Gegenzug Warmluftmassen auf dem Atlantik in Gang gesetzt, die mit großer Geschwindigkeit und Intensität nach Nordosten, in Richtung Europa gezogen sind. Eine solche „positive“ Nordatlantik-Oszillation (NAO), durch die eine lebhafte Tiefdruckaktivität über Island zustande kommt und in diesem Winter auch kam (gestützt von einem Hochdruckgebiet über den Azoren) kann sehr ausdauernd und stabil sein. Hat sie sich bis zu einem Jahreswechsel einmal vollständig etabliert, dauert sie meist mehrere Monate und wird im Regelfall nur kurzeitig durch Hochdruckzonen über dem Nordatlantik oder über Skandinavien unterbrochen. Ähnlich war es auch im Winter 2015/16, in dem es lediglich im Januar zu einer Hochdruckbrücke über Skandinavien kam, mit der vorübergehend Kaltluftmassen nach Mitteleuropa gelangen konnten. Bemerkenswert ist auch, dass diese Großwetterlage in ihren Ausprägungen sehr der des Winters 2013/14 ähnelte. Auch damals hatte sich eine lebhafte Westströmung etabliert, die dann lediglich im Januar für zwei Wochen durch Kaltluftzufuhr aus Osteuropa  unterbrochen worden war. Wie jetzt in diesem Winter hatte sich auch damals gerade über Deutschland eine Grenzwetterlage ausgebildet, bei welcher der Nordosten in kalter, der Südwesten unseres Landes aber in milder Luft verblieben war. Allerdings konnte sich in vergangenen Winter die Kaltluft etwas nachhaltiger nach Südwesten durchsetzen, sodass auch in Städten wie Karlsruhe oder Mannheim zumindest ein Kurzwinter mit einigen Eistagen und etwas Schnee verzeichnet werden konnte. Im Winter 2013/14 waren diese Regionen gänzlich ohne Kaltlufteinbruch geblieben. Trotz dieser kalten Phase war der vergangene Winter in Südwestdeutschland wärmer als 2013/14 und regional sogar der zweitwärmste Winter seit Aufzeichnungsbeginn.

Die dominierenden Warmwetterlagen machten sich auch bei den winterlichen Wetterereignissen bemerkbar. So wurden in den Wintermonaten 2015/16  36 Frosttage registriert, während in einem Durchschnittswinter (1900 – 1999) 58,1 solcher Tage zu erwarten gewesen wären. Eistage traten lediglich elf auf – und diese auch nur im Januar. Das sind 1,9 mehr als im Januar statistisch üblich sind, aber 11,2 weniger als in einem ganzen Winter zu erwarten gewesen wären. Immerhin wurde an vier Tagen der Wert von -10,0 Grad unterschritten – ein Ereignis, das im gesamten Jahr 2015 überhaupt nicht vorgekommen war. Die kälteste Temperatur wurde am 22.01.16 gemessen (-11,9 Grad Celsius).

 

 

Sonnenscheinstunden

Hinsichtlich der registrierten Sonnenscheinstunden zeigten sich die Wintermonate 2015/16 überdurchschnittlich – wenn auch nur leicht. Der Dezember zeigte sich mit einem Überschuss von 23,4 Stunden recht sonnig. Der Januar war mit einem Überschuss von 3,5 Stunden fast durchschnittlich, während der Februar ein Sonnendefizit von vier Stunden aufzuweisen hatte. Der Durchschnittswert  des 20. Jahrhunderts wurde insgesamt um 22,9 Sonnenstunden überschritten. Erwähnenswert ist auch, dass an 34 Tagen gar kein Sonnenschein verzeichnet wurde. Statistisch gesehen sind in den Wintermonaten 38,6 sonnenscheinlose Tage zu erwarten.

                                                        

 

 

Dez

Jan

Feb

Ds.  1900 - 1999

42,4

53,0

71,7

167,1

Winter 2015/2016

65,8

56,5

67,7

190,0

Abweichung

23,4

3,5

-4,0

22,9

 

 

 

 

 

                     

                   

               Farben:  Gelb = überdurchschnittliche Sonnenscheindauer  Grau = unterdurchschnittliche Sonnenscheindauer

                                                                                     Angaben in Stunden

 

 

Niederschlag

Das Niederschlagsaufkommen war in den Wintermonaten des Jahres 2015/16 unauffällig und entsprach fast dem Durchschnitt. 

 

Dez

Jan

Feb

Ds.  1900 - 1999

48,8

45,0

36,7

130,5

Winter 2015/2016

25,5

44,3

53,5

123,3

Abweichung

-23,3

-0,7

16,8

-7,2

 

 

 

 

 

                       Farben:  : Beige = unterdurchschnittlicher Niederschlag.  Grün = überdurchschnittlicher Niederschlag

                                                                              Angaben in Millimeter (mm)

 

Der Dezember war vergleichsweise trocken – es fiel nur gut die Hälfte des durchschnittlichen Niederschlags (25,5 mm). Mit einem Niederschlagsüberschuss von 16,8 mm konnte der Februar dies zumindest teilweise wieder ausgleichen. Der Januar entsprach fast punktgenau dem Niederschlagsdurchschnitt des 20. Jahrhunderts.

 

 

Schneefall

Mit insgesamt 16 cm ist in den Wintermonaten etwa die Hälfte der statistisch üblichen Menge gefallen (32 cm). Davon entfielen 13 cm auf den Januar (entspricht in etwa dem Durchschnitt) und drei Zentimeter auf den Februar. Der milde Dezember war gänzlich schneefrei geblieben. Eine geschlossene Schneedecke lag an 18 Tagen, davon 16 im Januar. Normal wären 32,4 Tage gewesen. Die höchste Schneedecke wurde am 08.01.16 mit sieben Zentimetern registriert.

 

 

Schlussbetrachtung

Der Winter 2015/2016 bewegte sich mit den meisten seiner wintertypischen Daten am unteren Ende der Statistik. Er war erheblich zu mild, zu schneearm und zu kurz. Wir haben in diesem Artikel die ursächliche Großwetterlage schon dargestellt. Ob diese mit dem modernen Klimawandel in Zusammenhang steht, kann nicht eindeutig geklärt werden. Ähnlich wie der vergangene Sommer war auch dieser Winter erheblich übertemperiert, doch war die Kontinuität von Wärmesommern in den letzten zwei Jahrzehnten erheblich ausgeprägter als bei den Wintern. Seit dem Jahr 1998 hat es keinen untertemperierten Sommer (gemessen am Mittelwert der Jahre 1900 – 1999) mehr gegeben. Dem stehen in dieser Zeitspanne immerhin noch fünf untertemperierte Winter gegenüber – wenn auch kein Extremwinter mehr.

Für einen Zusammenhang mit dem Klimawandel sprechen allerdings doch einige Faktoren. Einer der wesentlichen ist die zeitliche Ausdauer extremer Warmwetterlagen. Warmwetterlagen, auch sehr ausgeprägte und heftige, hat es schon immer gegeben. Beispielsweise wurde am 24.12.77 am Potsdamer Telegrafenberg eine Temperatur von 15,5 Grad Celsius erreicht. Dieser Dezember-Rekord ist bis heute ungebrochen, doch war dieser Tag damals eine „Eintagsfliege“. Im Dezember 1977 wurde die 10-Grad-Hürde eben nur an diesem einen Tag überschritten. Zum Vergleich: Im Dezember 2015 wurde diese Hürde an 17 Tagen überschritten. Extreme Großwetterlagen, die früher ein Kurzzeitereignis darstellten, dauern heute oftmals mehrere Wochen und können aufgrund ihrer Heftigkeit  durch gegenläufige atmosphärische Strömungen kaum oder nur kurzzeitig unterbrochen werden. Erhellend ist auch der Blick auf andere Wetterstationen – insbesondere denen der Mittelmeerländer. Bis vor wenigen Jahrzehnten waren in Ländern wie Spanien, Italien oder dem ehem. Jugoslawien die Winter sehr niederschlagsreich. Dies war auch notwendig, so konnten sich die Wasserbestände zwischen den heißen trockenen Sommern immer wieder regenerieren. Seit Anfang der 1990er-Jahre häufen sich in den südlichen Ländern (besonders in Italien) trockene und sonnige Wintermonate mit wenig Regen. Dies geschieht besonders in den Jahren, in denen die Winter in Mitteleuropa mild ausfallen. Noch kann man nicht von einer signifikanten Verschiebung ganzer Klimazonen sprechen, aber der Trend ist unverkennbar. Betrachtet man den Verlauf der atmosphärischen nordatlantischen Höhenströmung, wird man in dieser Annahme bestätigt. Es mag vorschnell sein, Trends und Entwicklungen immer gleich mit dem modernen Klimawandel in Zusammenhang zu bringen – zumal sich das Klima natürlich immer gewandelt hat und die Feststellung eines Klimawandels in der heutigen Zeit auch immer mit der Feststellung einer anthropogenen Ursächlichkeit einhergeht. Außerdem gibt es Forscher, die aufgrund der Erwärmungen in den Nordpolargebieten gegenläufige Entwicklungen (gerade im Winter) vorhersagen. In jedem Falle aber sind die festgestellten Entwicklungen auffällig und sprengen oftmals den Rahmen dessen, was man in der Potsdamer Wetterstation seit 1893 bisher beobachten konnte. Zusammenhänge mit dem modernen Klimawandel – ob nun anthropogen verursacht oder nicht – erscheinen da zumindest nicht ganz fernliegend.

 

 

Markus Seebass

im März 2016

 

 

 

Achtung:

Die Statistiken 1a, 1c, 2, 3, 12a, 13a, 18, 21 und 23, 24, und 28  beinhalten das für diesen Artikel relevante Datenmaterial.

 

http://www.das-klima-in-potsdam.de/Statistik%2001a%20-%20Potsdam-Telegrafenberg%20Temperatur%20Monats-%20%20und%20Jahresmittel%20%201893%20-%20heute.pdf

http://www.das-klima-in-potsdam.de/Statistik%2001c%20-%20Potsdam-Telegrafenberg%20Temperatur%20Monats-%20%20und%20Jahresmittel%20mit%20Angaben%20zur%20Abweichungsh%C3%B6he%20%201893%20-%20heu.pdf

http://www.das-klima-in-potsdam.de/Statistik%2002%20-%20Potsdam-Telegrafenberg%20Anzahl%20der%20Frosttage%20%201893%20-%20heute.pdf

http://www.das-klima-in-potsdam.de/Statistik%2003%20-%20Potsdam-Telegrafenberg%20Anzahl%20der%20Eistage%20%201893%20-%20heute.pdf

http://www.das-klima-in-potsdam.de/Statistik%2012a%20-%20%20Potsdam-Telegrafenberg%20%20Sonnenscheinstunden%20%201893%20-%20heute.pdf

http://www.das-klima-in-potsdam.de/Statistik%2013a%20-%20%20Potsdam-Telegrafenberg%20%20Niederschlagsmengen%20%201893%20-%20heute.pdf

http://www.das-klima-in-potsdam.de/Statistik%2018%20-%20Potsdam-Telegrafenberg%20%20Temperatur%20der%20meteorologischen%20Winter%20%201893%20-%20heute.pdf

http://www.das-klima-in-potsdam.de/Statistik%2021%20-%20Potsdam-Telegrafenberg%20%20Schneedeckentage%20mit%20mind.%201%20cm%20%20%201893%20-%20heute.pdf

http://www.das-klima-in-potsdam.de/Statistik%2023%20-%20Potsdam-Telegrafenberg%20%20Schneesummen%20%20%201893%20-%20heute.pdf

http://www.das-klima-in-potsdam.de/Statistik%2024%20-%20Potsdam-Telegrafenberg%20%20K%C3%A4ltesummen%20%20%201893%20-%20heute.pdf

http://www.das-klima-in-potsdam.de/Statistik%2028%20-%20Potsdam-Telegrafenberg%20Anzahl%20der%20Tage%20%20ohne%20Sonnenschein%20%201893%20-%20heute.pdf