Die lange Ausdauer des Sommers zeigt,
wie sich das Klima in Mitteleuropa „mediterranisiert“
Im Juli 2018 setzte sich die bestehende
Warmwetterlage fort
von Markus Seebass
In Artikel 32 hatten wir über den rekordwarmen April 2018, in Artikel 33 dann über den ebenfalls rekordwarmen Mai 2018 berichtet. Mit 19,10 Grad Celsius fiel dann auch der Juni 2018 deutlich zu warm aus, nämlich 2,63 Grad wärmer als der Mittelwert des 20. Jahrhunderts (16,47 Grad). Der Wärmeüberschuss war mit diesem Wert zwar deutlich geringer als in den beiden Vormonaten, doch war es immerhin der siebtwärmste Juni seit Aufzeichnungsbeginn. Noch wärmer waren lediglich die Juni-Monate 1917 (20,16 Grad), 1930 (19,64 Grad), 1947 (19,20 Grad), 1992 (20,02 Grad), 2003 (19,65 Grad) und 2016 (19,11 Grad) ausgefallen. Aufgrund dieser Tatsache kann auch der Juni 2018 als „extrem warm“ eingestuft werden. Im Juli 2018 verstärkte sich der Wärmeüberschuss wieder. Der Monat lag im Mittelwert mit 21,78 Grad Celsius um 3,57 Grad höher als nach dem Durchschnittswert der Jahre 1900 – 1999 zu erwarten gewesen wäre (18,21 Grad). Im Wärmeranking lag der Juli 2018 somit auf dem vierten Platz, hinter den Juli-Monaten 1994 (22,46 Grad), 2006 (23,69 Grad) und 2010 (22,62 Grad). Mit der Wärme der Vormonate setzte sich in Potsdam im Juli auch die extreme Trockenheit weiter fort.
Die verantwortliche Großwetterlage war jener ähnlich, die bereits für die weit übertemperierten und viel zu trockenen Vormonate gesorgt hatte. Ein Hochdruckgebiet über Skandinavien und Nordwestrussland hatte die regelmäßige Zufuhr von Tiefdruckgebieten unterbunden und sorgte – zumeist aus südöstlicher Richtung – für die Zufuhr heißer Festlandsluft. Dabei wurde die Zufuhr feuchtwarmer Mittelmeerluft, die im Mai und Juni durch kleinere Tiefdruckgebiete über die Alpen bis nach Süddeutschland gelangt war, stark abgeschwächt, sodass die dortige Gewitterneigung zurückgegangen war. Für den Potsdamer Raum bedeutete die Konstellation zumeist heiteres sonniges Wetter mit warmen bis sehr heißen Temperaturen. Die Erhaltungsneigung, mit der sich diese Großwetterlage mit kleineren Abwandlungen und leicht wechselnden Ausprägungen immer wieder regeneriert hat, ist schon bemerkenswert. Da das skandinavische Hoch sich zeitweise auch mit dem Mittelmeerhoch verbinden konnte, wurde die Zufuhr feuchtwarmer Luft nach Süddeutschland gedrosselt und auch dort kam es jetzt verstärkt zu trockenem, heißen Sommerwetter. Bemerkenswert sind aber nicht nur die gemessenen Temperaturen der letzten Monate, sondern auch der Niederschlag und die Sonnenscheindauer. Dies gilt insbesondere bei einem Vergleich mit dem sehr niederschlagsreichen Frühsommer des letzten Jahres.
So konnten am Telegrafenberg in Potsdam von April – Juli 2018 1185,2 Sonnenscheinstunden verzeichnet werden. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es lediglich 920,1 Stunden. Statistisch „normal“ wären sogar nur 868 Sonnenscheinstunden gewesen. Markant sind für diese Vergleichszeiträume auch die gefallenen Niederschlagsmengen. Von April – Juli 2018 waren am Telegrafenberg 135,2 mm Niederschlag gemessen worden – ein vergleichsweise moderater Wert. An vielen Wetterstationen Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns waren wesentlich geringere Mengen gemessen worden, während Potsdam von einigen Gewitterzellen profitieren konnte. Im Vorjahr – bei einer gänzlich anderen Großwetterlage waren es dagegen 358,6 mm Niederschlag. Nach dem Mittelwert des 20.Jahrhunderts wären 224,6 mm „normal“ gewesen. Interessant ist auch die Verteilung des Niederschlags auf die einzelnen Tage. Während von April – Juli 2018 an nur 28 Tagen Niederschlag gemessen wurde (mind. 0,1 mm pro Tag und allein 14 Tage im April), war dies im gleichen Vorjahreszeitraum an 65 Tagen der Fall. 55,2 Tage hätten dem statistischen Mittelwert des 20. Jahrhunderts entsprochen. Betrachtet man statt des Zeitraums April – Juli nur den Zeitraum Mai – Juli, ist der Unterschied noch gravierender. Hier stehen 14 Niederschlagstage (2018) 52 Niederschlagstagen (2017) und 41 durchschnittlichen Niederschlagstagen gegenüber.
All diese Zahlen dokumentieren eine extrem warme, sonnenscheinreiche und niederschlagsarme Witterungsphase, die in der Region Berlin-Brandenburg seit Mitte April bereits andauert. Die verantwortliche Großwetterlage wurde bereits geschildert. Unklar ist aber anhaltend, welche klimatischen Einflüsse Großwetterlagen in den letzten Jahren erheblich verlängert haben und der derzeitigen eine solch extrem lange Lebensdauer ermöglicht hat.
Historisch einmalig ist die derzeitige Warmphase über Mitteleuropa nicht. Bereits in der Mitte des letzten Jahrzehnts, von Juli 2006 bis Juni 2007 gab es bereits eine Dauerwärme über Potsdam, die jedem einzelnen Monat Wärmeüberschüsse zwischen zwei und fünf Grad beschert hatte. Lediglich im August 2006 fand eine einmonatige Unterbrechung der Phase statt, da war es zu einer moderaten Unterschreitung der Durchschnittswerte der Temperatur gekommen. Neu ist in diesem Jahr allerdings das frühe Einsetzen der warmen Temperaturen im April, was den laufenden Sommer mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Rekordsommer machen wird. Selbst wenn der Mittelwert der definierten Sommermonate Juni, Juli und August in diesem Jahr die Rekordtemperaturen der Sommer 2003 und 1992 nicht ganz erreichen sollte, wird es mit Sicherheit in diesem Jahr Rekorde bei der Anzahl der Warmen Tage, der Sommertage und der Heißen Tage geben.
Bleibt immer noch die Frage nach dem Grund. Dass die Klimaerwärmung die Hauptursache dafür ist, scheint naheliegend, doch in welcher Form wirkt sich diese auf bestehende Großwetterlagen aus?
Eine plausible Erklärung wird derzeit in einigen Fachzeitschriften diskutiert. Danach findet auf der Nordhalbkugel der Erde derzeit eine großflächige Homogenisierung des Temperaturniveaus statt. Während sich die Äquatorregionen vergleichsweise moderat erwärmen, findet in den Polarregionen eine sehr massive Erwärmung statt. Einen Eindruck von dieser Erwärmung konnten in diesem Sommer bereits die Bewohner von Nordschweden, Nordfinnland und dem nördlichen Zentralsibirien gewinnen, wo es am Polarkreis bereits mehrere Wochen mit Temperaturen von über 30 Grad Celsius gegeben hat. Generell ist festzustellen, dass sich auf der Nordhalbkugel nördliche Regionen stärker erwärmen als südliche und – zumindest in Europa – östliche stärker als westliche. Verschiedene Messwerte bestätigen diesen Trend. So lagen die Jahresmittelwerte der Messstationen in der Region München noch in den 1980er-Jahren im Durchschnitt etwa drei Grad niedriger als in der Region Mailand. In den Jahren der laufenden Dekade waren es – nicht zuletzt auch wegen der gehäuft auftretenden feuchtmilden Winter in Deutschland – nur noch knapp zwei Grad. Noch wesentlich stärke sind die Angleichungen der Mittelwerte jedoch zwischen Wetterstationen aus Nord- und Südschweden bzw. Südnorwegen und Spitzbergen.
Die Homogenisierung des Temperaturniveaus könnte möglicherweise eine Reduzierung der atmosphärischen Dynamik zur Folge haben. Das würde bedeuten, dass atmosphärische Strömungsmuster, die in früheren Jahren vital und lebhaft waren, jetzt schwächer ausgeprägt sind bzw. von starken Luftdruckgebilden (wie in den letzten Monaten dem Hochdruckgebiet über Skandinavien) leichter abgelenkt oder blockiert werden können.
Diese Begründung würde zumindest die atmosphärischen Verhältnisse dieses Sommers in Europa erklären. Ob sie wirklich zutreffend ist, wird die Forschung noch zeigen müssen. Hinzu kommen auch noch andere Tatsachen, welche die Witterung in unserer Region maßgeblich mitbestimmen. Das Starkwindband des Jetstreams verläuft in den letzten zwei Jahrzehnten in den Sommermonaten nördlicher als früher. Dies könnte zumindest die Ursache dafür sein, das unterkühlte und „frische“ Sommer in Mitteleuropa quasi „nicht mehr vorkommen“. Selbst unbeständige und niederschlagsreiche Sommer wie jener im Jahre 2017 werden von atlantischen Luftmassen geprägt, die eine weit südlichere Bahn nehmen als in früheren Jahren. So bringen Großwetterlagen, die noch in den 1980er-Jahren einen Kühlsommer in Mitteleuropa hervorgebracht hätten, jetzt einen mäßig warmen Sommer hervor. Die veränderte Zugbahn des Jetstreams kann somit die Verschiebung ganzer Klimazonen von Süd nach Nord zur Folge haben. Noch bewegt sich das alles im Bereich der Mutmaßungen, doch die Häufung von klimatischen Warmereignissen wie der Sommer 2018 lassen zumindest erkennen, dass es sich um keine Zufallsereignisse mehr handeln kann. Nach dem Rekordsommer 2003 dachten sogar die meisten Meteorologen und Klimaforscher, dass sich ein solcher Sommer – trotz des Klimawandels – so schnell nicht mehr wiederholen würde. Nun könnte er, nach nur 15 Jahren, in diesem Jahr noch getoppt werden. Prognosen darüber, wie lange möglichweise ein Rekordsommer 2018 diesen Status behalten wird, wird unter diesen Umständen jetzt sicher niemand mehr eingehen wollen.
Markus Seebass
im August 2018
Achtung:
Die Statistiken 1a, 1c, 4, 5, 6, 12a, 26, 13a und 14 beinhalten das für
diesen Artikel relevante Datenmaterial.