Frost im Mai
Am 12. Mai 2020 wurden am Potsdamer Telegrafenberg erstmalig seit 40 Jahren wieder Temperaturen unter null Grad registriert.
von Markus Seebass
Weitgehend unbemerkt von der medialen Öffentlichkeit hat sich im Mai 2020 am Potsdamer Telegrafenberg eine kleine meteorologische Sensation ereignet. Am 12.5.20 wurde in den frühen Morgenstunden eine Temperatur von -0,4 Grad Celsius gemessen. Damit wurde zu diesem Zeitpunkt ein Frosttag registriert. Es war der erste Frosttag in einem Monat Mai seit 40 Jahren. Den letzten Frosttag in einem Monat Mai hatte es zuletzt am 5. Mai 1980 gegeben. Damals waren - 1,9 Grad Celsius registriert worden.
Frosttage im Mai sind sehr selten und sie sind immer seltener geworden. In der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts hatte es fünf Frosttage in zwei Jahren gegeben. In der Folgedekade waren es vier Frosttage, verteilt auf zwei Jahre. In den 1920er-Jahren wurden 3 Frosttage, verteilt auf drei Jahre registriert, in den 1930er-Jahren waren es sogar sieben Frosttage, verteilt auf zwei Jahre. Die 1940er-Jahre brachten vier Frosttage, alle in einem Jahr (1941) und die 1950er-Jahre brachten in den Mai-Monaten dann drei Frosttage, verteilt auf drei Jahre. Die 1960er-Jahre waren für ihre kalten Winter bekannt, doch im Monat Mai hielt sich der Frost zurück. Lediglich im Mai 1962 wurde ein Frosttag registriert. In den 1970er-Jahren waren es dann drei Frosttage, verteilt auf zwei Jahre und in den 1980er-Jahren brachte allein das Jahr 1980 zwei Frosttage. Anschließend gab es keine Frosttage mehr - bis jetzt. Am 12.05.20 fiel somit erstmalig nach vier Jahrzehnten in einem Monat Mai die Temperatur wieder in den Frostbereich. Zwar war die Frostgrenze in der Zwischenzeit einige Male nur knapp verfehlt worden (im Mai 1981 mit 0,0 Grad, 1985 mit 0,3 Grad und zuletzt im Jahr 2010 mit 0,1 Grad Celsius. Doch ein Frosttag wurde nicht mehr registriert. Im 20. Jahrhundert kam es somit in den Mai-Monaten zu 32 Frosttagen, verteilt auf 18 Jahre. Bilanzierend lässt sich somit sagen, dass es statistisch gesehen etwa alle fünf bis sechs Jahre zu einem bis zwei Frosttage in einem Monat Mai kommen müsste. Doch gerade in den letzten Jahrzehnten hat der Monat Mai durch die moderne Klimaerwärmung einen besonderen Wärmezuwachs erfahren, so dass es zu keiner Registrierung von Frosttagen mehr gekommen ist. Besonders ab den 2000er Jahren blieben auch die kühlsten Mai-Nächte oftmals sehr mild wie z. B. im Jahr 2000 (6,8 Grad), dem Jahr 2002 (7,2 Grad) oder in den Jahren 2008 und 2016 (5,0 Grad). Die absolute Tiefsttemperatur in einem Monat Mai wurde am 2. Mai 1935 mit -3,6 Grad Celsius gemessen. Ob es in den kommenden Jahren wieder häufiger Frost im Monat Mai geben wird, bleibt abzuwarten. Verantwortlich für Kälte im Mai ist eine vorübergehende Nord- Wetterlage, bei der ein Hochdruckgebiet auf dem Atlantik liegt und eine kalte Nord Strömung herbeigeführt wird. Solche Wetterlagen, auch als „Eisheilige“ bekannt, etablieren sich im Monat Mai häufiger. In den letzten 40 Jahren waren die Eisheiligen oftmals jedoch nur schwach ausgeprägt oder sind ganz entfallen. Ob sich die für die typischen Eisheiligen notwendige Großwetterlage in den kommenden Jahren wieder häufiger etablieren kann, kann nicht vorausgesagt werden. Zu sehr haben sich die Strömungsmuster in Europa seit Beginn der modernen Klimaerwärmung Ende der 1980er-Jahre verändert. Erfreulich ist jedoch, dass Kaltlufteinbrüche trotz erwärmten Klimas in Mitteleuropa immer noch möglich sind.
Markus Seebass
im Juni 2020