Die Monate April und Mai 2021 waren
kühl, aber nicht wirklich kalt
von Markus Seebass
In den vergangenen Wochen wurde in der Presse viel über den kalten Frühling 2021 geschrieben. Über den extrem kalten April und den unterkühlten Mai. Doch waren diese beiden Monate im statistischen Mittelwert wirklich so kalt? Höchste Zeit, dass wir uns diesen Sachverhalt einmal näher ansehen.
Die meteorologischen Entwicklungen im Frühjahr 2021 waren in Mitteleuropa durchaus bemerkenswert. Der Monat April war mit einer Durchschnittstemperatur von 6,78 Grad Celsius um 1,33 Grad kälter als ein durchschnittlicher April-Monat der Jahre 1900 bis 1999. Dies ist das erste Mal seit dem Jahre 2001, das in Potsdam ein April-Monat hinsichtlich der Temperatur unterdurchschnittlich ausgefallen war. Im Jahre 2001 (also vor immerhin 20 Jahren) betrug das Temperaturdefizit allerdings lediglich 0,09 Grad. Der letzte noch kältere April-Monat (gegenüber dem zurückliegenden) wurde im Jahre 1997 registriert. Die Durchschnittstemperatur betrug damals 6,66 Grad, also noch 0,12 Grad weniger als im April 2021. Somit war es in Potsdam der kälteste April seit 24 Jahren. In Teilen Nord- West- und Süddeutschlands war es sogar der kälteste April-Monat seit 40 Jahren. Dank länger anhaltender Hochdruckwetterlagen über Osteuropa kam der Nordosten Deutschlands zeitweilig in den Bereich leicht erwärmter Kaltluft, während Westdeutschland im Bereich maritimer Kaltluftmassen verblieb.
Im Mai 2021 gab es ein ähnliches Temperaturdefizit. Die Durchschnittstemperatur betrug 12,17 Grad, somit 1,16 Grad unter dem hundertjährigen Mittelwert von 13,33 Grad Celsius. Auch hier handelte es sich um einen vergleichsweise kalten Mai, doch liegt der letzte, noch kältere Mai-Monat noch nicht ganz so lange zurück. Im Mai 2010 lag der Mittelwert bei 11,26 Grad, also sogar 2,07 Grad unter dem langjährigen Mittel. Doch auch im Mai gab es zahlreiche Regionen in Nord-und Westdeutschland, in denen der langjährige Mittelwert noch erheblich starker unterschritten wurde. Verantwortlich für die zwei kalten Monate war eine ungewöhnlich beständige kalte Großwetterlage. Ein Hochdruckgebiet hatte sich westlich von Skandinavien über der nördlichen Nordsee und dem südlichen Teil des europäischen Nordmeeres etabliert. Über seine Ostflanke gelangten immer wieder kalte maritime Luftmassen nach Deutschland. Damit unterschied sich dieser Frühling erheblich von den Frühjahrsmonaten der letzten Jahre, die sehr stark von Hochdruckgebieten über den Azoren oder über dem Mittelmeer geprägt worden waren. Die diesjährige kältere Entwicklung war allerdings von einigen meteorologischen Diensten bereits vor ca. drei Monaten vorhergesagt worden und steht möglicherweise immer noch mit dem Major-Warming-Phänomen in Zusammenhang, dass sich im Winter ereignet hatte.
Von wirklichen kalten Monaten kann man aber am Potsdamer Telegrafenberg nicht sprechen, obgleich im April und Mai 2021 die neuen, viel höheren Referenzwerte der Jahre 1991 bis 2020 noch deutlich stärker unterschritten wurden (um 3,14 bzw. 2,07 Grad). Die lange Reihe zu warmer April-Monate wurde in diesem Jahr somit unterbrochen. Dies gilt allerdings nicht für die lange Reihe der zu trockenen April-Monate. Mit einem Niederschlagsaufkommen von 32,2 mm war der April 2021 um 10,3 mm zu trocken. Der letzte „zu nasse“ April-Monat war im Jahre 2008 mit 64,2 mm (also vor immerhin 13 Jahren). Der Mai 2021 war mit 56,9 mm gemessenen Niederschlags jedoch etwas feuchter ausgefallen als ein durchschnittlicher Mai der Jahre 1900 bis 1999 (51,5 mm). Allerdings hatte es hier in den vergangenen Jahren häufiger niederschlagsreiche Mai-Monate gegeben.
Die untertemperierten Monate April und Mai haben auch dazu geführt, dass das gesamte meteorologische Frühjahr (bestehend aus den Kalendermonaten März, April und Mai) 2021 zu kühl ausgefallen ist. Die Durchschnittstemperatur lag bei 8,09 Grad Celsius, das heißt 0,27 Grad unter dem hundertjährigen Mittelwert. Die Unterschreitung ist also als sehr moderat zu bewerten. Gemessen am neuen Referenzwert der Jahre 1991 bis 2020 liegt die Unterschreitung der Temperatur jedoch bei immerhin 1,54 Grad. Die Negativabweichung wäre sicherlich noch größer gewesen, wenn nicht der März 2021 um 1,64 Grad übertemperiert gewesen wäre. Das letzte meteorologische Frühjahr mit einer unterdurchschnittlichen Temperatur war im Jahre 2013. Seinerzeit war der März extrem kalt und die Monate April und Mai leicht übertemperiert ausgefallen. Mit einem Mittelwert von 7,33 Grad war das Frühjahr 2013 jedoch noch um 0,76 Grad kälter als der meteorologische Frühling in diesem Jahr.
Fazit: Die Monate April und Mai 2021 waren gefühlt sehr kalte Monate. Besonders der April war herausragend, da doch gerade die April-Monate in den letzten Jahren eine enorme Temperatursteigerung erfahren haben. Die Verlautbarungen in der Presse und in den sozialen Netzwerken geben darüber Aufschluss, wie kalt diese Monate beim Großteil der Bevölkerung empfunden wurden. Gleichwohl waren beide Monate weder extrem kalt noch besonders stark untertemperiert. Die Abweichungen gegenüber den langjährigen Mittelwerten (von 1900 bis 1999) können als „moderat“ bewertet werden. Es wurde weder besondere Kälte registriert, noch sind die beiden Monate zu der Gruppe der jeweils zehn kältesten April- bzw. Mai-Monate seit Beginn der Aufzeichnungen zu zählen. So kann festgestellt werden, dass das Empfinden der Bevölkerung inzwischen eben sehr stark von der großen, normal gewordenen Wärme der letzten Jahre geprägt ist. Aufgrund natürlicher Schwankungen können beide Monate trotz der Unterschreitungen der Temperaturmittelwerte als „normal“ klassifiziert werden.
Ergeben sich daraus neue Erkenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der Klimaerwärmung in Potsdam? Sicherlich nicht. Natürlich war der Monat April ungewöhnlich kühl und es kommt auch nicht mehr allzu häufig vor, dass zwei Monate direkt hintereinander einen negativen Temperatursaldo aufweisen (war zuletzt im Februar/März 2018 der Fall), doch können daraus noch keine Rückschlüsse über eine mögliche Trendwende bei der Klimaerwärmung gezogen werden. Schon der Monat Juni schickt sich jetzt an, wieder zu warm auszufallen (Stand: 10.06.21). Interessant sind derzeit allerdings die Langzeitprognosen des amerikanischen Wetterdienstes NOAA. Für die Monate Juni und Juli wird von Deutschland ein moderater Temperaturüberschuss prognostiziert, für die Monate August bis Oktober jedoch ein durchschnittlicher Temperaturverlauf. Damit unterscheidet sich diese Prognose von allen Prognosen des NOAA der letzten Jahre, die stets erhebliche Temperaturüberschreitungen für die nächsten 5 Monate vorhergesagt haben.
Markus Seebass
im Juni 2021