Der Sommer 2022

 

Nach zweijähriger Pause gab es wieder einen Hitzesommer

 

von Markus Seebass

 

Nachdem wir mit den beiden Sommern der Jahre 2020 (19,57 Grad) und 2021 (19,55 Grad) zwei weniger heiße Sommer erlebt hatten, kam mit dem Sommer 2022 wieder ein heftiger Hitzesommer nach Mitteleuropa. Am Telegrafenberg zu Potsdam wurde in den drei meteorologischen Sommermonaten Juni, Juli und August eine Durchschnittstemperatur von 20,43 Grad Celsius verzeichnet. Damit ist der Sommer 2022 der drittwärmste seit Aufzeichnungsbeginn im Jahre 1893. Lediglich die Sommer 2019 und 2018 waren in Potsdam mit Durchschnittswerten von 21,06 Grad bzw. 20,72 Grad noch geringfügig wärmer. Damit setzte sich die Kontinuität von erheblich übertemperierten Sommern in Potsdam fort. Auch die bereits erwähnten Sommer der beiden letzten Jahre waren erheblich übertemperiert, sie belegten im Wärme-Ranking den siebten bzw. den neunten Platz. Vom Vorjahressommer 2021 unterschieden sich die drei Monate Juni, Juli und August in diesem Jahr jedoch ganz erheblich. Während die Sommermonate im vergangenen Jahr sehr stark von feucht warmen Luftmassen dominiert wurden, kam es jetzt wieder zu einer verstärkten Beeinflussung durch Hochdruckgebiete aus dem Atlantik und zu dem Zufluss extrem heißer Luftmassen aus Afrika, bedingt durch ein Hochdruckgebiet über dem östlichen Mittelmeer und zeitweiliger Tiefdruckaktivität über der iberischen Halbinsel. Das Ergebnis waren drei sehr trockene und sehr heiße Monate in ganz Deutschland, wobei der Schwerpunkt der Hitze nicht in Potsdam, dem Land Brandenburg oder dem Nordosten Deutschlands, sondern im Westen und Südwesten Deutschlands lag. So war der Sommer 2022 im Nordosten nicht ganz so heiß wie in den südlicheren oder westlicheren Regionen Deutschlands. Dafür ist hier die Trockenheit ein großes Problem, denn im Nordosten Deutschlands hat es in weiten Teilen in den letzten Monaten, also auch bereits im Frühjahr, viel zu wenig geregnet.

Deutschlandweit war der Sommer 2022 der zweitwärmste (nur noch übertroffen durch den Sommer 2003, der in Potsdam ebenfalls nicht ganz so heiß ausgefallen war und lediglich den vierten Platz im Wärme-Ranking belegt).

Der einstmals heißeste Sommer 1983, der mit einer Gesamttemperatur von 19,31 Grad den Sommer 1947 (19,19 Grad) vom Spitzenplatz verdrängt hatte, liegt heute im Gesamt-Ranking nur noch auf dem elften Platz. Schauen wir uns nun den Sommer 2022 in seinen einzelnen Facetten genauer an.

 

Teil 1 – Temperatur

Der Sommer 2022 war mit einer Gesamttemperatur der drei Monate Juni, Juli und August von 20,43 Grad Celsius gemessen am Mittelwert der Jahre 1900 – 1999 um 3,08 Grad zu warm. Die größte Wärme konzentrierte sich auf die Monate Juni und August (mit Wärmeüberschüssen von 3,68 bzw. 4,01 Grad), während der Monat Juli mit einem Überschuss von 1,55 Grad nur moderat übertemperiert war. Der Juni war mit einem Mittelwert von 20,15 Grad der viertwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen (nach den Juni-Monaten 1917, 2019 und 2021), der August mit 21,37 Grad sogar der drittwärmste (nach den August-Monaten 2015 und 2020).

 

Tabelle 1   Durchschnittliche Temperaturen der einzelnen Monate im Sommer 2022 und deren        

                   Abweichungen von den Mittelwerten des 20. Jahrhunderts (Grad Celsius)

 

Juni

Juli

Aug

Ds.  1900 - 1999

16,47

18,21

17,36

17,35

Sommer 2022

20,15

19,76

21,37

20,43

Abweichung

3,68

1,55

4,01

3,08

 

Farben: Rosa = überdurchschnittlich temperiert.  Blau = unterdurchschnittlich temperiert.

 

Es wurden in den drei Sommermonaten 89 Warme Tage registriert – mehr als jemals zuvor. Selbst in den Supersommern 2018 und 2019 war es jeweils ein Tag weniger, im Sommer 2003 waren es zwei. Zum Vergleich: In den kühlen Sommermonaten der Jahre 1984 und 1987 gab es jeweils nur 48 Warme Tage. In einem Durchschnittssommer (1900 bis 1999) sind 67,6 Warme Tage zu erwarten. Mit 61 Sommertagen wurde die doppelte Anzahl eines Durchschnittsjahres registriert. Statistisch wären 30,0 Sommertage in den Monaten Juni, Juli und August zu erwarten gewesen. In den Sommern 2019, 2018 und 2003 gab es 60, 56 und 54 solcher Tage, in den Kühlsommern 1984 und 1987 sogar nur 23 bzw. 14 Sommertage. Im Kaltsommer 1962 gab es sogar nur 12 Sommertage.

Heiße Tage wurden insgesamt 21 registriert – genauso viel wie im Sommer 2003. Hier lagen die Sommer 2018 und 2019 mit 25 bzw. 27 Heißen Tagen noch deutlich vorn. Statistisch wären 7,3 Heiße Tage zu erwarten gewesen. Dass es auch noch kühler geht, zeigen die Sommermonate der Jahre 1984 und 1987 mit jeweils drei und der Sommer 1962 mit zwei heißen Tagen. Die Sommer 1916 und 1965 blieben ganz ohne einen Heißen Tag – wie diese Gesamtjahre überhaupt.

Das Temperaturniveau von 35,0 Grad wurde insgesamt an sechs Tagen erreicht bzw. überschritten – zweimal im Juni, dreimal im Juli und einmal im August. Am 20.07.22 wurde mit einer Temperatur von 38,9 Grad das Maximum des Sommers erreicht. Gleichzeitig stellt dieser Wert auch einen neuen Juli-Rekord dar. Der Potsdamer Allzeitrekord vom 09.08.92 mit 39,1 Grad wurde allerdings knapp verfehlt. Tage mit einem Minimalwert von 20,0 Grad oder darüber (die Nächte solcher Kalendertage werden „Tropennächte“ genannt) traten vier auf, einer im Juli, drei im August. Am 04.08.22 und am 05.08.22 traten mit jeweils 21,1 Grad Celsius die wärmsten Minimaltemperaturen eines Tages auf.

 

Teil 2 – Sonnenschein

Bei den gemessenen Sonnenscheinstunden gab es im Sommer 2022 wieder einen massiven Überschuss. Mit 819,7 gemessenen Stunden wurde der Mittelwert der Monate Juni, Juli und August gleich um 140,7 Stunden übertroffen. Im Sonnenschein-Ranking lieg dieser Sommer somit auf dem neunten Platz, allerdings noch deutlich hinter den Sommern 2019 mit 847,5, dem Sommer 2018 mit 874,0 und dem Sommer 1947 mit 895,8 Sonnenscheinstunden.

Im vergangenen Jahr waren es lediglich 681,3 Stunden gewesen, der Mittelwert des 20. Jahrhunderts für alle drei Monate liegt bei 679,0 Sonnenscheinstunden.

Im Gegensatz zur Temperatur, bei der sich die Überschüsse auf die Monate Juni und August konzentrierten, waren die Überschüsse im Juni mit 66,6 Stunden am größten und bauten sich in den beiden Folgemonaten über 48,2 Stunden hinweg auf 25,9 Stunden (auf ein moderates Niveau) langsam ab.

 

 Tabelle 2    Sonnenscheinstunden der einzelnen Monate im Sommer 2022 und deren

                   Abweichungen von den Mittelwerten des 20. Jahrhunderts (h)

 

Juni

Juli

Aug

Ds.  1900 - 1999

232,7

233,0

213,3

679,0

Sommer 2022

299,3

281,2

239,2

819,7

Abweichung

66,6

48,2

25,9

140,7

 

Farben:  Gelb = überdurchschnittliche Sonnenscheindauer  Grau = unterdurchschnittliche Sonnenscheindauer

 

 

Teil 3 – Niederschlag

Das Thema „Niederschlag“ dürfte die problematischste Facette des vergangenen Sommers gewesen sein. Mit 120,0 Millimetern gefallenen Niederschlags war er wieder deutlich zu trocken, das Defizit lag bei 74,8 Millimeter. Durchschnittlich wären in einem Sommer am Telegrafenberg 194,8 Millimeter Niederschlag zu erwarten gewesen. Alle drei Monate waren deutlich zu trocken – auch wenn das Defizit nicht ganz so hoch war wie an zahlreichen anderen Messstationen im Nordosten Deutschlands.

 

Im Juni war das Niederschlagsdefizit mit 35,8 Millimetern am größten, im Juli verringerte es sich auf moderate 12,1 Millimeter, um im August wieder auf 26,9 Millimeter anzuwachsen.

Im Trockenheits-Ranking liegt der Sommer damit auf dem elften Platz, brachte aber immerhin die doppelte Niederschlagsmenge wie der bisher trockenste Sommer 1976. Das Problem sind also gar nicht die geringen Niederschlagsmengen dieses Sommers an sich, sondern die Defizite des vorangegangenen Frühlings (wobei der Monat März fast niederschlagsfrei geblieben war) und die der vergangenen Jahre, die auch durch das „feuchtere“ Jahr 2021 nicht vollständig ausgeglichen werden konnten.

 

Tabelle 3    Niederschläge der einzelnen Monate im Sommer 2022 und deren Abweichungen            

                   von den Mittelwerten des 20. Jahrhunderts (mm.)

 

Juni

Juli

Aug

Ds.  1900 - 1999

64,1

66,5

64,2

194,8

Sommer 2022

28,3

54,4

37,3

120,0

Abweichung

-35,8

-12,1

-26,9

-74,8

 

Farben: Beige = unterdurchschnittlicher Niederschlag.  Grün = überdurchschnittlicher Niederschlag

 

Die größte Tagesmenge in diesem Sommer fiel am 01.07.22 mit 33,0 Millimetern.

 

 

Schlussbetrachtung

Und wieder ein heißer Sommer. Den klassischen kühlen, verregneten Sommer Mitteleuropas, den es in früheren Jahrzehnten so häufig gegeben hat (und den viele Urlauber in Deutschland verflucht haben dürften), scheint es jetzt nicht mehr zu geben. Den letzten wirklich kühlen Sommer dieser Art gab es im Jahre 1993, also vor 29 Jahren. Die Sommer 1996 und 1998 waren noch leicht untertemperiert, seit 1999 hingegen sind alle Sommer, gemessen an den Durchschnittswerten der Jahre 1900 - 1999 oder 1961 – 1990, zu warm ausgefallen. Vergleicht man die Wetterkarten von damals mit denen der heutigen Zeit wird auch schnell klar, warum das so ist. Noch in den 1980er Jahren waren die Sommer oftmals dominiert von einer atlantischen Tiefdruckrinne, über die immer wieder kühle Niederschlagsgebiete von Nordwesten nach Mitteleuropa hereingezogen sind. Das Azorenhoch befand sich sehr weit südlich und dehnte nur gelegentlich mal einen Ausläufer nach Mitteleuropa aus, der dann für einige Tage wärmeres Wetter bringen konnte. Das typische Sommerhoch am Mittelmeer blieb ebenfalls meistens stationär und erstreckte sich bloß bis zum Südrand der Alpen. Gerade in den beiden zitierten Jahren 1984 und 1987, in welchen die Sommer sehr kühl blieben, waren dies die dominierenden Großwetterlagen. Das hat sich jedoch völlig geändert. Heute wölbt sich das Azorenhoch in den Sommermonaten meistens viel weiter nach Norden aus und geht nicht selten eine Verbindung mit dem Kontinentalhoch über Russland ein. In diesem Sommer trat diese Großwetterlage gleich mehrfach auf. Damit war die Tiefdruckrinne über Mitteleuropa blockiert, was die in Deutschland anhaltende Trockenheit erklärt. Da die Großwetterlagen heutzutage oftmals viel meridionaler verlaufen, wird auch immer heißere Luft aus immer südlicheren Bereichen angezapft. Dies erklärt die immer extremer werdenden Hitzewellen in Mitteleuropa, die der Stadt Hamburg einen neuen Hitzerekord von 40,1 Grad Celsius brachten. Insgesamt ist festzustellen, dass sich die Hochdruckaktivität massiv nach Norden ausgeweitet hat. Hinzu kommt ein Nachlassen der atmosphärischen Dynamik. Das bedeutet, dass sich die vorherrschenden Großwetterlagen allgemein langsamer bewegen, länger andauern und eine größere Wiederholungsneigung aufweisen. Warum sich die Großwetterlagen in den letzten drei Jahrzehnten so erheblich verändert haben, ist nicht restlos geklärt. Möglicherweise liegt die Ursache im Anstieg der Meerestemperaturen oder auch im Rückgang des Polareises begründet, dessen Südkante im Durchschnitt immer weiter nach Norden wandert und möglicherweise ein entsprechendes Nachrücken der atmosphärischen Druckgebilde zur Folge hat. Außerdem haben sich die Temperaturunterschiede zwischen den polaren und den gemäßigten Breiten reduziert, was die atmosphärische Dynamik besonders in den Sommermonaten verringert.

Wird sich das wieder ändern? Eine Prognose ist schwierig, da die Umstände, die zu diesen Veränderungen geführt haben, nicht vollständig geklärt sind. Sie passen jedoch ins Bild einer weiter voranschreitenden Klimaerwärmung. Ein Kippen der Zirkulationsmuster hin zu kühlerem Wetter ist nicht auszuschließen - zumal sich der Golfstrom (der für Europa als Wärmepumpe dient) erheblich abgeschwächt hat.

Das von dem überwiegenden Teil der Wissenschaft prognostizierte Szenario geht jedoch von einer weiteren Häufung extremer Warmsommer über Deutschland und Mitteleuropa aus. Dies würde weiterhin bedeuten: Viel Wärme, viel Sonne und wenig Regen.

 

Markus Seebass

im September 2022

 

 

 

                                        

Abb. 1                                                                                       Abb. 2

 

In früheren Jahren konnten sich über Nord-, West-, und Mitteleuropa oftmals Tiefdruckgebiete etablieren, die viel Regen und kühle Luft brachten (Abb. 1). Die Hochdruckgebiete verharrten am Mittelmeer und über den Azoren. Das hat sich völlig verändert.

Jetzt kommen die Hochdruckgebiete weit nach Norden voran und verbinden sich oftmals auch mit dem osteuropäischen Kontinentalhoch (Abb. 2). Kühle Luft aus polaren Breiten und Tiefdruckgebiete vom Atlantik haben kaum noch Chancen.