Der Winter 2022/23

Das sind keine Mildwinter mehr, sondern regelrechte Warmwinter    

 

von Markus Seebass

 

Erneut liegt ein ausgesprochen hochtemperierter Winter hinter uns. Mit einer Durchschnittstemperatur von 3,0 Grad Celsius war der Winter 2022/23 fast genau so warm wie der vorangegangene Winter 2021/22 (3,26 Grad). Die positive Abweichung gegenüber dem Mittelwert der Jahre 1900 bis 1999 beträgt 2,89 Grad, die gegenüber dem Mittelwert der Jahre 1961 bis 1990 sogar 2,97 Grad. Da der Referenzwert der Jahre 1991 bis 2020 deutlich höher ist, beträgt der Überschuss hier jedoch allerdings nur 1,65 Grad. Der zurückliegende Winter in Potsdam ist somit der zwölfte Winter in Folge, der verglichen mit den Mittelwerten der Jahre 1900 bis 1999 und 1961 bis 1990 übertemperiert war. Seit dem Aufzeichnungsbeginn in Potsdam im Jahr 1893 war es der elftwärmste Winter. Beeindruckend ist vor allem die Ähnlichkeit der Strukturen, mit denen diese milden Winter inzwischen ablaufen. Die Ablaufmuster erscheinen inzwischen wie festgefahren und zeigen eine hohe jährliche und kurzfristige Wiederholungsneigung. Der vergangene Winter war in seiner Struktur nicht identisch mit dem vorangegangenen, aber er weist doch erhebliche Übereinstimmungen auf. Wie auch im Winter 2021/22, sah die Großwetterlage auf der Nordhalbkugel und insbesondere in Sibirien und den Polarregionen für einen Kaltwinter in Mitteleuropa im vergangenen Spätherbst nicht einmal schlecht aus. Im Gegensatz zu den Vorjahren konnte sich im Dezember in Deutschland sogar eine längere Kaltphase etablieren, die in Potsdam mehrere Tage Dauerfrost am Stück gebracht hatte. Im Dezember 2021 hatte lediglich nach Weihnachten eine ganz kurze Kaltwetterlage den Nordosten Deutschlands gestreift - das übrige Deutschland aber ganz außen vorgelassen. Insofern schien im Dezember 2022 der kalte Trend wesentlich stabiler und der Optimismus, dass sich ein kälterer Winter etablieren könnte, war wesentlich größer. Doch wie im Jahr zuvor kippte die Großwetterlage anschließend und kurz vor Weihnachten setzten sich dann sehr milde Luftmassen in ganz Mitteleuropa durch. Dabei kam es zum Jahreswechsel sogar zu Wärmerekorden. Am 31.12 22 wurde mit 17,3 Grad Celsius der alte Dezemberrekord aus dem Jahre 1977 (15,5 Grad) um 1,8 Grad überboten. Bereits einen Tag später, am Neujahrstag 2023 folgte mit 15,4 Grad der neue Januarrekord. Der alte Rekord aus dem Jahre 1991 von 14,5 Grad wurde um 0,9 Grad übertroffen. Nach der Jahreswende stellte sich - wie so oft in den letzten Jahren - eine typische Westwetterlage ein. Diese pendelte immer wieder hin und her zwischen einer warmen Südwest-  und einer nasskalten Nordwestströmung. Kaltes Winterwetter konnte sich nicht mehr durchsetzen. So blieb es auch im Februar, wobei der Südwesten Deutschlands den größten Anteil der Wärme abbekam. Der Nordosten und Potsdam verblieben hingegen häufiger in etwas kälteren Luftmassen aus Nordwesten, so dass hier im Februar der Wärmeüberschuss nicht ganz so hoch ausfiel. Diese Diskrepanz zwischen dem Nordosten und dem Südwesten war einer der wenigen Unterschiede zu den Vorjahren. Seinerzeit hatte sich gehäuft ein kälteres Hochdruckgebiet mit Invasionswetterlage im Süden Deutschlands ausgebreitet und tendenziell dort (bedingt durch die nächtliche Auskühlung) für mehr Kälte gesorgt.

 

Temperatur

Wieder waren alle drei Wintermonate deutlich zu mild ausgefallen. Der Wärmeüberschuss im Dezember war mit 0,8 Grad noch moderat, er steigerte sich im Januar jedoch auf extreme 4,82 Grad und im Februar belief er sich auf 3,06 Grad. Der Monat Januar war relativ gesehen also mit großem Abstand der wärmste Monat, aber auch die absoluten Werte blieben über jenen der anderen Wintermonate. Bescheiden blieb auch wieder die Kältesumme, also die Summe aller negativen Durchschnittswerte der Kalendertage. Diese lag bei 59,8 Grad, was aber immerhin gegenüber dem Vorwinter eine Steigerung von 31 Grad darstellte. Im Durchschnitt wären in allen drei Wintermonaten 164,8 Grad zu erwarten gewesen. Es wurden 35 Frosttage registriert, vier mehr als im Vorwinter aber deutlich weniger als im Durchschnitt zu erwarten gewesen wären (58,1 Frosttage). Es traten 13 Eistage auf, immerhin sieben mehr als im Vorwinter. Es waren aber deutlich weniger als die 22,2 Eistage, die in einem Durchschnittswinter zu erwarten gewesen wären. Bemerkenswert ist allerdings, dass der November (offiziell noch ein Herbstmonat) bereits zwei Eistage aufzuweisen hatte. Elf der dreizehn Eistage waren bereits im Dezember aufgetreten, im Januar und im Februar dann jeweils nur noch einer. Am 15.12.22 wurde mit -11,6 Grad Celsius die kälteste Temperatur des Winters registriert. Für Dezember ist das ein leicht unterdurchschnittlicher Wert, im Januar hätten aber im Durchschnitt noch niedrigere Temperaturen auftreten müssen (-12,2 Grad durchschnittliche Minimaltemperatur)

 

 

 

 

Dez

Jan

Feb

Ds.  1900 - 1999

0,71

-0,54

0,17

0,11

Winter 2022/2023

1,51

4,28

3,23

3,00

Abweichung

0,80

4,82

3,06

2,89

 

 

 

 

 

 

 

   Farben:  Rosa = überdurchschnittlich temperiert. Blau = unterdurchschnittlich temperiert

                                              Angaben in Grad Celsius

 

 

Sonnenscheinstunden

Der Winter 2022/23 war erneut vergleichsweise trübe. Es wurden 137,0 Sonnenschein-stunden registriert das waren noch 8,9 Stunden weniger als im Vorwinter, aber sogar 30,1 Stunden weniger als der langjährige Mittelwert des 20. Jahrhunderts. Während die Sonnenscheindefizite im Dezember moderat (13,6 Stunden) und im Januar mäßig waren (20,9 Stunden) wurde im Februar ein ganz leichter Sonnenscheinüberschuss von 4,4 Stunden gemessen.

 

 

 

Dez

Jan

Feb

Ds.  1900 - 1999

42,4

53,0

71,7

167,1

Winter 2022/2023

28,8

32,1

76,1

137,0

Abweichung

-13,6

-20,9

4,4

-30,1

        

  Farben:  Gelb = überdurchschnittliche Sonnenscheindauer.  Grau = unterdurchschnittliche Sonnenscheindauer

                                         Angaben in Stunden

 

 

 

Niederschlag

Die Niederschlagsbilanz dürfte den erfreulichsten Rückblick auf diesen Winter beinhalten. Der Winter 2022/23 war moderat "zu nass" ausgefallen. Vor dem Hintergrund der hohen Trockenheit der letzten Jahre ist das eine bemerkenswerte und erfreuliche Tatsache. In allen drei Monaten fielen 158,9 Millimeter Niederschlag, deutlich mehr als im Vorwinter und immerhin 28,4 mm mehr, als im Durchschnitt der Jahre 1900 bis 1999 zu erwarten gewesen wäre. Alle Monate hatten einen leichten bis mäßigen Niederschlagsüberschuss aufzuweisen (Februar 3,5 Millimeter, der Dezember 10,0 und der Januar 14,9 Millimeter). Es wurde an 53 Tagen Niederschlag (in Höhe von mindestens 0,1 mm) gemessen, acht weniger als im Vorwinter (obgleich dieser insgesamt trockener war). Normal wären 51 Niederschlagstage gewesen.

 

 

 

Dez

Jan

Feb

Ds.  1900 - 1999

48,8

45,0

36,7

130,5

Winter 2022/2023

58,8

59,9

40,2

158,9

Abweichung

10,0

14,9

3,5

28,4

                   

 Farben: Beige = unterdurchschnittlicher Niederschlag.  Grün = überdurchschnittlicher Niederschlag

                                     Angaben in Millimeter (mm)

 

 

Schneefall

Was den Schneefall angeht, war der zurückliegende Winter 2022/23 wieder ein Totalausfall. Insgesamt fiel eine Schneesumme von neun Zentimetern, wobei allein sieben Zentimeter im Dezember registriert wurden. Überraschenderweise war auch im vorangegangenen November bereits ein Zentimeter Schnee gefallen. Im Durchschnitt hätten es jedoch insgesamt in den drei Wintermonaten Dezember, Januar, und Februar 32,2 Zentimeter sein müssen. Es ist allerdings anzumerken, dass in diese Rechnung lediglich die Werte der täglichen Messungen an jedem Morgen um 7 Uhr einfließen. An zwei Tagen hatte es in den Vormittagsstunden geschneit, doch war dieser Schnee bis zur Messung am nächsten Tag wieder abgetaut. So sind diese Schneemengen nicht in die Statistik eingeflossen, sie waren allerdings auch nicht wesentlich. Eine geschlossene Schneedecke wurde an sieben Tagen registriert, 25,4 Tage weniger als im Durchschnitt. Der meteorologische Herbstmonat November hatte immerhin drei solcher Tage aufzuweisen. Die höchste Schneedecke des Winters wurde am 1.12.22 registriert und betrug 4 Zentimeter. Ein Schneezuwachs von mindestens einem Zentimeter am Tag (gemessen an der Schneehöhe des Vortages) wurde an fünf Tagen registriert, wobei vier Tage auf den Dezember entfielen und nur einer auf den Monat Februar. Normal wären 10,4 Tage mit einem solchen Schneezuwachs gewesen.

 

Schlussbetrachtung

Wieder ein sehr milder Winter könnte man als Bilanz zusammenfassend sagen. Eigentlich müsste man aber schon von einer längeren Folge von "Warmwintern" sprechen. Die Winter der vergangenen zwölf Jahre waren oftmals eben nicht mehr "nordwestgeprägt" sondern von Warmluftströmungen aus Südwesten dominiert. Diese führten und führen dann eben zu den neuen Rekorden wie am Jahreswechsel. Die Gründe für solche Mild- und Warmwinter haben wir bereits in den vergangenen Artikeln eingehend erörtert. Dem ist nichts hinzuzufügen. Es ist festzustellen, dass die Chancen für Kaltluftvorstöße in Mitteleuropa aufgrund der derzeitigen Zugbahn des Jetstreams einfach geringer sind als in früheren Zeiten. Dies gilt nicht nur für den Winter, sondern für alle Jahreszeiten, doch im Winter fällt es eben am meisten auf. Besonders die Schneearmut und das Ausbleiben starker Fröste sind in den vergangenen Jahren zum Kennzeichen der Winter in Deutschland und Mitteleuropa geworden. Auffällig ist auch, dass sich in den letzten Jahren oftmals erst ab Mitte Februar (für den Winter) günstigere Großwetterlagen durchsetzen konnten. Dies wurde auch durch die sog. „Major-Warming-Phänomene“ verursacht, die allerdings generell eher in der zweiten als in der ersten Winterhälfte auftreten. Für richtig kalte Wintereinbrüche ist es dann aber meistens zu spät, da der hohe Sonnenstand Dauerfrost meist verhindert. So war in den letzten Jahren „in Sachen Winter“ auch immer etwas Pech im Spiel.  

Man kann gespannt sein ob die moderne globale Klimaerwärmung diese dargestellten Strömungskonstellationen noch weiter festigt oder mittel- und langfristig auch wieder anderen Varianten zum Zuge kommen.

 

Markus Seebass

im März 2023