Der Winter 2023/24
Ein extrem niederschlagsreicher und
warmer Winter
von Markus Seebass
Auch mit diesem Winter 2023/24 hat sich die Reihe der übertemperierten Winter fortgesetzt. Es war nunmehr der 13. Winter in Folge, der, verglichen mit den Mittelwerten der Jahre 1900 bis 1999 oder 1961 bis 1990, "zu warm" ausgefallen ist. Seit dem Aufzeichnungsbeginn in Potsdam im Jahre 1893 war er mit einem Mittelwert von 3,87 Grad Celsius der viertwärmste Winter. Lediglich die Winter 2006/07 (4,62 Grad) 2019/20 (4,45 Grad) und 1989/90 (3,94 Grad) waren noch geringfügig wärmer als der zurückliegende. Da auch fast alle übrigen Monate der letzten Jahre deutlich zu warm ausgefallen sind, können wir in Mitteleuropa inzwischen von einer extrem warmen Klimaphase sprechen.
Der Winter 2023/24 hat mit den vorangegangenen Wintern hinsichtlich seines Verlaufs einiges gemeinsam. Wie in den letzten Jahren häufiger zu beobachten war, gab es einen vergleichsweise kalten Auftakt im Dezember und ab der Zeit nach Weihnachten eine zunehmende Milderung. Im jetzt abgelaufenen Winter war diese im letzten Wintermonat Februar allerdings besonders extrem. Der Mittelwert im Februar 2024 lag bei 6,80 Grad Celsius und somit um 6,63 Grad wärmer als der Mittelwert der Jahre 1900 bis 1999. Es gab im Winter 2023/24 immerhin zwei Kaltlufteinbrüche, einen Anfang Dezember und einen zweiten Mitte Januar. In diesen Phasen kam es jeweils auch für mehrere Tage zu einer geschlossenen - wenn auch dünnen - Schneedecke. Bei dem ersten Kälteeinbruch unterschieden sich Potsdam und der Nordosten Deutschlands erheblich von Teilen Süddeutschlands, wo Anfang Dezember 2023 beispielsweise in München nach heftigem Schneefall eine Schneedecke von 46 Zentimetern gemessen werden konnte. Ein deutlicher Unterschied zu den Wintern der vergangenen Jahre war die Großwetterlage über Europa. Zwar setzte über Deutschland Ende Dezember wieder eine Milderung und eine typische tiefdruckgeprägte Westwetterlage ein, aber über Nordeuropa und Skandinavien konnte sich in den Wintermonaten über längere Zeit eine ausgesprochen kalte Witterung halten. So war insbesondere in der ersten Hälfte des Winters skandinavische Kaltluft relativ nah und hat die beiden Kaltlufteinbrüche im Dezember und im Januar auch auslösen können. Für einen längerfristigen und nachhaltigeren Wintereinbruch über Deutschland hat es aber nicht ausgereicht. Dazu waren dann die von Westlagen geführten Tiefdruckgebiete zu stark und die Kaltluft konnte nach Skandinavien und ins westliche Russland zurückgedrängt werden. Charakteristisch für diesen Winter war auch die hohe Niederschlagsaktivität. Mit gefallenen 254,8 Millimetern war der Winter 2023/24 der niederschlagsreichste seit Beginn der Aufzeichnungen in Potsdam 1893. Mit dieser Menge hat er denn bisherigen niederschlagsreichsten Winter 1947/48 (246,5 mm) als Rekordhalter abgelöst. Im Dezember hatte der ungewöhnlich starke Niederschlag in Niedersachsen und manchen Regionen Süddeutschlands sogar zu massiven Hochwasserlagen geführt.
Betrachten wir also den zurückliegenden Winter 2023/24 hinsichtlich der am Potsdamer Telegrafenberg gemessenen Daten einmal ausführlicher:
Temperatur
Wieder waren alle drei Wintermonate deutlich zu warm ausgefallen. Die Wärmeüberschüsse waren im Dezember mit 2,95 Grad und im Januar mit 1,88 Grad bereits sehr hoch. Rekordwarm wurde jedoch der Februar mit einem Mittelwert von 6,80 Grad. Damit wurde der Mittelwert des 20. Jahrhunderts um 6,63 Grad übertroffen. Selbst der alte Rekord vom Februar 1990 (6,31 Grad) wurde um 0,49 Grad überboten. Bescheiden blieb auch wieder die Kältesumme, also die Summe aller negativen Durchschnittswerte der Kalendertage. Diese lag bei 56,9 Grad, was fast dem Wert des Vorwinters entsprach. Die meiste Kälte wurde während des kurzen Wintereinbruchs im Januar registriert, während der Februar zur Kältesumme nichts beigetragen hatte. Immerhin hatte auch der Herbstmonat November mit 7,9 Grad eine Kältesumme aufzuweisen. Im Durchschnitt wären in allen drei Wintermonaten 164,8 Grad zu erwarten gewesen. Es wurden 25 Frosttage registriert, zehn weniger als im Vorwinter und deutlich weniger als im Durchschnitt zu erwarten gewesen wären (58,1 Frosttage). Es traten 13 Eistage auf, genauso viel wie im Vorwinter. Es waren aber deutlich weniger als die 22,2 Eistage, die in einem Durchschnittswinter zu erwarten gewesen wären. Bemerkenswert ist allerdings, dass der November (offiziell noch ein Herbstmonat) bereits einen Eistag aufzuweisen hatte. Fünf der dreizehn Eistage waren bereits im Dezember aufgetreten, acht folgten im Januar. Im Februar trat kein Eistag mehr auf. Am 09.01.24 wurde mit -11,4 Grad Celsius die kälteste Temperatur des Winters registriert. Dies entspricht im Januar fast dem Durchschnitt der monatlichen Tiefsttemperatur. (-12,2 Grad durchschnittliche Minimaltemperatur)
Dez |
Jan |
Feb |
||
Ds. 1900 - 1999 |
0,71 |
-0,54 |
0,17 |
0,11 |
Winter
2023/2024 |
3,66 |
1,34 |
6,80 |
3,87 |
Abweichung |
2,95 |
1,88 |
6,63 |
3,76 |
Farben:
Rosa = überdurchschnittlich temperiert.
Blau = unterdurchschnittlich temperiert
Angaben in Grad Celsius
Sonnenscheinstunden
Der Winter 2023/24 war etwas „zu trübe“. Es wurden 141,6 Sonnenscheinstunden registriert. Das waren 25,5 Stunden weniger als der langjährige Mittelwert des 20. Jahrhunderts. In allen drei Monaten war die gemessene Stundenzahl jedoch vergleichsweise nahe am Mittelwert – im Dezember und Februar leicht darunter, im Januar leicht darüber.
Dez |
Jan |
Feb |
||
Ds. 1900 - 1999 |
42,4 |
53,0 |
71,7 |
167,1 |
Winter
2023/2024 |
22,9 |
64,9 |
53,8 |
141,6 |
Abweichung |
-19,5 |
11,9 |
-17,9 |
-25,5 |
Farben: Gelb
= überdurchschnittliche Sonnenscheindauer.
Grau = unterdurchschnittliche Sonnenscheindauer
Angaben in Stunden
Niederschlag
Wie bereits im Winter 2022/23 dürfte die Niederschlagsbilanz den erfreulichsten Rückblick auf diesen Winter beinhalten. Der Winter 2023/24 war nicht nur erheblich "zu nass" ausgefallen, sondern hat sogar den alten Niederschlagsrekord aus dem Winter 1947/48 (246,5 mm) geringfügig überboten. Vor dem Hintergrund der großen Trockenheit der letzten Jahre ist das eine bemerkenswerte und erfreuliche Tatsache. In allen drei Monaten fielen 254,8 Millimeter Niederschlag, noch deutlich mehr als im bereits „zu nassen“ Vorwinter und immerhin 124,3 mm mehr, als im Durchschnitt der Jahre 1900 bis 1999 zu erwarten gewesen wäre. Der Dezember war mit einer Gesamtniederschlagsmenge von 121,6 Millimetern relativ und absolut gesehen der „feuchteste Monat“, doch auch im Februar fiel mit 88,2 mm mehr als das Doppelte des Durchschnittswertes. Bemerkenswert war auch der Januar, der mit gefallenen 45,0 Millimetern (gemessen am langjährigen Mittelwert) eine „exakte Punktlandung“ hinlegte. Es wurde an 55 Tagen Niederschlag (in Höhe von mindestens 0,1 mm) gemessen, zwei mehr als im Vorwinter. Normal wären 51 Niederschlagstage gewesen.
Dez |
Jan |
Feb |
||
Ds. 1900 - 1999 |
48,8 |
45,0 |
36,7 |
130,5 |
Winter
2023/2024 |
121,6 |
45,0 |
88,2 |
254,8 |
Abweichung |
72,8 |
0,0 |
51,5 |
124,3 |
Farben: Beige
= unterdurchschnittlicher Niederschlag. Grün
= überdurchschnittlicher Niederschlag
Angaben in Millimeter (mm)
Schneefall
Was den Schneefall angeht, war der zurückliegende Winter 2023/24 wieder ein Totalausfall. Insgesamt fiel eine Schneesumme von sieben Zentimetern, wobei allein zwei Zentimeter im Dezember und fünf im Januar registriert wurden. Der Februar war völlig schneefrei. Überraschenderweise waren auch im vorangegangenen Herbstmonat November bereits acht Zentimeter Schnee gefallen – mehr als in allen drei Wintermonaten zusammen. Im Durchschnitt hätten es jedoch insgesamt in den drei Wintermonaten Dezember, Januar, und Februar 32,2 Zentimeter sein müssen. Eine geschlossene Schneedecke wurde an 17 Tagen registriert, 15,4 Tage weniger als im Durchschnitt. Der meteorologische Herbstmonat November hatte immerhin vier solcher Tage aufzuweisen. Die höchste Schneedecke des Winters wurde im Dezember an mehreren Tagen mit 6 Zentimeter gemessen, der Saisonrekord fand aber bereits am 29.11.23 mit acht Zentimetern statt. Ein Schneezuwachs von mindestens einem Zentimeter am Tag (gemessen an der Schneehöhe des Vortages) wurde an vier Tagen registriert, zwei Tage entfielen auf den Dezember, zwei auf den Januar. Der Herbstmonat November steuerte ebenfalls zwei Tage zur gesamten Saisonbilanz bei.
Schlussbetrachtung
Da auch dieser Winter jenen der vergangenen Jahre sehr ähnelte, ist es schwer, in der Schlussbetrachtung neue Aspekte aufzuzeigen. Eigentlich ist zu den Gründen, warum es zu den milden Wintern der letzten Jahre gekommen ist, nichts mehr hinzuzufügen. Für die Winterfreunde, die sich wieder einmal kältere Wetterlagen wünschen, sei aber noch eines tröstend gesagt: Die polare Eisbedeckung in der Nordhemisphäre scheint sich in den letzten Jahren etwas stabilisiert zu haben. Derzeit liegt die Eisfläche bei ca. 14,8 Millionen Quadratkilometern. Das ist geringfügig mehr als in den beiden Vorjahren. Zwar ist das Eisvolumen insgesamt weiter etwas rückläufig, doch für die Albedo (die für die Reflektion des Sonnenlichts zurück ins All verantwortlich ist) ist die Eisfläche entscheidender als die Gesamtmasse. Ob sich diese Stabilität angesichts der gegenwärtigen, durch Al Nino bedingten, besonderen globalen Warmphase auch über die nächsten Monate halten kann, bleibt abzuwarten, aber es ist immerhin ein Hoffnungsschimmer.
Markus Seebass
im März 2024